Fall Maaßen Was macht eigentlich der Verfassungsschutz?

Köln · Für Merkel steht fest, „dass die Koalition an der Frage des Präsidenten einer nachgeordneten Behörde nicht zerbrechen wird“. Viele Bürger wissen ohnehin nicht so genau, was die Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz jeden Tag tun.

 Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln (Archiv).

Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln (Archiv).

Foto: dpa/Oliver Berg

Die Frage, wer das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) leiten soll, beherrscht seit Tagen die politische Debatte in Berlin. BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen steht im Kreuzfeuer der Kritik. Doch was macht der Inlandsgeheimnis eigentlich? Und was für Menschen arbeiten bei dieser Behörde, die mit dem Slogan „Im Verborgenen Gutes tun!“ um Nachwuchs wirbt? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was nützt mir persönlich der Verfassungsschutz? Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll Pläne, die konkrete Straftaten oder Gefahren für die Öffentliche Sicherheit nach sich ziehen könnten, frühzeitig erkennen. Dabei geht es um Bestrebungen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, den Bestand des Bundes und der Länder richten oder darauf abzielen, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Der Inlandsgeheimdienst hat nach Angaben aus Sicherheitskreisen dazu beigetragen, dass seit 2016 mindestens vier Terroranschläge verhindert wurden. Das gelingt aber nicht immer. Die Behörde führte auch über den späteren Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri eine sogenannte Personenakte.

Woran erkennt man einen Verfassungsschützer eigentlich? Der Behördenleiter und sein Stellvertreter stehen im Licht der Öffentlichkeit. Für die meisten Mitarbeiter des BfV, das seinen Sitz in Köln hat, gilt aber das Gegenteil. Wer für den Nachrichtendienst Informationen auswertet oder beschafft, darf darüber in seinem Bekanntenkreis nicht sprechen. Im Job benutzen die Mitarbeiter nicht ihren richtigen Namen, sondern einen „Arbeitsnamen“. Im Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz sagte vergangene Woche eine BfV-Mitarbeiterin aus. Um unerkannt zu bleiben, erschien sie dick geschminkt und mit rot-brauner Langhaarperücke. Ihren richtigen Namen musste sie nicht nennen.

Externe Informanten, die sich für den Verfassungsschutz in einer bestimmten Szene umschauen, werden V-Leute genannt. Das sind keine verdeckten Ermittler, sondern Angehörige einer extremistischen Szene, die - oftmals gegen Geld - bereit sind, dem Staat Informationen zu liefern. Ihre Entlohnung darf aber in der Regel nicht mehr als die Hälfte ihrer gesamten Einkünfte ausmachen.

Kann ich da anheuern oder sprechen die mich an? Grundsätzlich kann sich jedermann beim BfV bewerben. Das Anwerben von V-Leuten ist im islamistischen Milieu besonders schwierig. Denn wer den Behörden Informationen über militante Salafisten liefert, riskiert womöglich sein Leben, wenn er auffliegt. Auch deshalb spricht der Verfassungsschutz über diese Quellen nur im geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium. Außerdem braucht man, wenn es um zugewanderte Extremisten geht, im Prinzip für jede Untergruppe eigene Muttersprachler.

Bin ich wohl auch schon ins Visier geraten? Normalerweise nicht, es sei denn, man hat mehrfach an „zweifelhaften“ Demonstrationen oder Veranstaltungen teilgenommen. Oder man liefert Anhaltspunkte dafür, dass man sich von einem ausländischen Geheimdienst hat ansprechen lassen.

Hören die womöglich mein Telefon ab? So einfach ist das nicht. Das BfV kann alle frei verfügbaren Quellen nutzen. Verdeckte Maßnahmen wie Telefonüberwachung und Observation sind aber nur mit einem Beschluss der G10-Kommission des Bundestages für jeden Einzelfall erlaubt.

Wie groß ist das BfV? Das Bundesamt hat aktuell rund 3200 Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr lagen die Ausgaben für die Behörde bei 307 Millionen Euro. Für dieses Jahr sind etwas mehr als 390 Millionen Euro vorgesehen. Auch 2019 soll der Etat wachsen.

Was sind die Hauptkritikpunkte aus der Politik? Die Linkspartei will den Verfassungsschutz abschaffen. In ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017 heißt es, durch ihre „Intransparenz“ behinderten die Geheimdienste polizeiliche Ermittlungen und juristische Aufklärung. Die Grünen sind in ihrer Kritik weniger radikal. Sie bemängeln aber auch „eine Kultur des Vertuschens, Verheimlichens und im schlimmsten Fall wie beim NSU-Skandal, dass Vernichten heikler Akten“. Sie sagen: „Den kontraproduktiven V-Personen-Einsatz in der rechten Szene wollen wir beenden.“ Sonst riskiere man, „dass die zu beobachtenden Milieus querfinanziert und schwere Straftaten aus diesen Szenen gedeckt werden“. So lange der V-Personen-Einsatz nicht beendet werde, müsse dieser mindestens engmaschig geregelt, dokumentiert und kontrolliert werden.

(wer/dpa)
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