Fachkräfte-Einwanderung zur Wohlstandssicherung Es braucht mehr Akzeptanz für Migration in der Bevölkerung

Meinung | Berlin · Die Ampelkoalition will es Fachkräften erleichtern einzuwandern. Das ist notwendig und überfällig, will Deutschland seinen Wohlstand erhalten. Damit mehr qualifizierte Menschen kommen, muss sich aber auch die innere Einstellung ändern.

 Bundeskanzler Olaf Scholz,  Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) und andere bei einer Veranstaltung der Bundesregierung zum Thema Einwanderung am Montag in Berlin.

Bundeskanzler Olaf Scholz, Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) und andere bei einer Veranstaltung der Bundesregierung zum Thema Einwanderung am Montag in Berlin.

Foto: dpa/John Macdougall

Die Bundesregierung will die Hürden für die Einwanderung von Fachkräften senken. Das ist auch dringend notwendig, weil Deutschland bis 2035 sieben Millionen neue Arbeitskräfte benötigt, wie das Forschungsinstitut IAB der Bundesagentur für Arbeit ausgerechnet hat. Der Arbeitsminister sagt zu Recht: Fachkräftesicherung ist Wohlstandssicherung. Anders ausgedrückt: Ohne die sieben Millionen müssen sich die Deutschen auf weniger Wohlstand einstellen.

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Deutschland ist schon seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland. Elf Prozent seiner Bewohner haben einen ausländischen Pass, 27 Prozent ausländische Wurzeln. Viele wollen das jedoch bis heute nicht wahrhaben. Mit der Entwicklung hat die innere Einstellung vieler Menschen nicht Schritt gehalten. Viele, oft auch diejenigen mit ausländischen Wurzeln, fühlen sich von weiterer Migration überfordert und lehnen sie innerlich ab. Politik, Wirtschaft und Bevölkerung müssen also weit mehr tun, um die Akzeptanz von weiterer Migration zu steigern.

Zum verbesserten Fachkräfteeinwanderungsgesetz gehört zwingend, die im Inland vorhandenen Arbeitskräfte-Potenziale effektiver zu heben. Es darf nicht sein, dass große Gruppen junger Erwachsener keiner Erwerbsarbeit nachgehen, während die Zahl der offenen Stellen auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt Rekordhöhen erreicht. Mehr als 20.000 Lehrstellen sind frei, aber Bewerber finden die Betriebe nicht. Dienstleister bieten Hunderttausende Stellen an, aber Interessenten finden sie keine. Deutschland leistet sich Schulabbrecherquoten von jährlich sieben Prozent – unter Ausländern sind es sogar 18 Prozent. Ohne Schulabschluss keine Berufsausbildung, ohne Ausbildung kein Job. Es ist unerträglich, dass immigrierte Frauen oft aus kulturellen Gründen nicht arbeiten können oder dürfen.

Wichtig ist auch, nicht den zweiten vor dem ersten Schritt zu machen. Das Vorgehen der Innenministerin, zuerst ein stark verbessertes Staatsbürgerschaftsrecht vorzulegen, bevor das Fachkräftegesetz verabschiedet ist, war unglücklich. Die Akzeptanz der Migration wird nicht größer, wenn die Bevölkerung den Eindruck gewinnt, dass eher der deutsche Pass oder eines der weltweit üppigsten und besten Sozial- und Gesundheitssysteme Migranten locken als der Wunsch, bei uns Fachkraft zu werden. Einwanderung in den Sozialstaat ist ein politisches Schlagwort der Opposition, gegen das sich die Ampel wehrt. Doch sie ist auch eine Realität, die zu verneinen blind machen kann.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist geeignet, mehr qualifizierte Leute aus Drittländern für Deutschland zu interessieren. Viele scheitern bisher an der Nicht-Erteilung von Visa und der Nicht-Anerkennung von Berufsabschlüssen. Letzteres soll jetzt gelöst werden, indem Abschlüsse einfacher anerkannt oder gar nicht mehr verlangt werden. Das Punktesystem à la Kanada ist ein Einstieg in die aktive Steuerung der Zuwanderung. Daneben wird es aber immer auch das Asylrecht für Schutzbedürftige geben. Da die Flüchtlingsströme anhalten werden, wird Deutschland aus historischen und humanitären Gründen seine Migration immer nur zum kleineren Teil wirklich steuern können.

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