Qualifizierte Zuwanderung DIHK und Handwerk fordern Nachbesserungen bei neuem Gesetz

Berlin · Die Ampel-Koalition will den Fachkräftemangel durch mehr qualifizierte Zuwanderung bekämpfen. An diesem Mittwoch stellt sie Eckpunkte für ein neues Gesetz vor. Künftig soll es ein Punktesystem wie in Kanada geben. Doch die Wirtschaft sieht noch viele Mängel.

Reem Alabali-Radovan (SPD), Beauftragte der Bundesregierung für Migration, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hören der Rede von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) auf einem Einwanderungs-Kongress am Montag zu.

Reem Alabali-Radovan (SPD), Beauftragte der Bundesregierung für Migration, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hören der Rede von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) auf einem Einwanderungs-Kongress am Montag zu.

Foto: dpa/John Macdougall

Wirtschaftsverbände begrüßen die Eckpunkte der Ampel-Koalition für die Neufassung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, fordern aber noch zahlreiche Nachbesserungen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hält die Gehaltsgrenze für Fachkräfte, die nach Deutschland kommen wollen, weiterhin für zu hoch. Zudem werde zu wenig zur Anwerbung von Auszubildenden aus dem Ausland getan. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) sah vor allem Verbesserungsbedarf bei den Ausländerbehörden im Inland und den Visa-Stellen der deutschen Botschaften im Ausland. Allein im Handwerk würden schon jetzt 250.000 Fachkräfte fehlen, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer unserer Redaktion. Beim Thema Fachkräfte-Zuwanderung brauche es mehr Tempo.

Die Regierung will die Einwanderung zur Behebung des Fachkräftemangels unter anderem durch ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild ermöglichen, auch wenn die Menschen noch keinen Arbeitsplatz vorweisen können. Das geht aus „Eckpunkten zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten“ hervor, die das Kabinett an diesem Mittwoch beschließen und vorstellen will.

Drittstaatsangehörigen mit gutem Potenzial soll demnach ein Aufenthalt in Deutschland ermöglicht werden, um einen Job zu finden. Dafür soll eine „Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche“ eingeführt werden, und zwar auf Grundlage eines Punktesystems. Zu den Auswahlkriterien für den Nachweis „guten Potenzials“ können Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter gehören.

„Aus Sicht der Unternehmen schlägt die Novelle des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) den richtigen Weg ein. Die Eckpunkte enthalten viele Verbesserungen. An einigen Stellen würden sich die Betriebe aufgrund ihrer praktischen Erfahrungen auch noch weitere Schritte wünschen“, sagte DIHK-Vize-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks unserer Redaktion. „Richtig ist, dass künftig eine anerkannte Qualifikation grundsätzlich zu jeder Beschäftigung in nicht-reglementierten Berufen berechtigen soll. Damit erfahren die Einschätzungen der Unternehmen, die eine ausländische Fachkraft beschäftigen wollen, mehr Gewicht“, sagte Dercks. „Manches in den Eckpunkten ist hier aber noch zu strikt - etwa die recht hohe Gehaltsgrenze“, kritisierte er.

Nach den Eckpunkten soll künftig das „1,25-fache des Durchschnittsjahresbruttogehalts“ als reguläre Gehaltsgrenze nötig sein, um eine Fachkraft aus dem Ausland einstellen zu können. Für Berufe, in denen dringend Fachkräfte gesucht werden (“Engpassberufe") sowie für Berufsanfänger soll das „1,0-fache des Durchschnittsjahresbruttogehalts“ ausreichen.

Der DIHK sieht auch Mängel bei der Anwerbung von Auszubildenden. „Hierzu enthält das Eckpunktepapier noch recht wenig. Bei der wachsenden Zahl unbesetzter Ausbildungsplätze in Deutschland, müssen wir noch pragmatischer werden, um verstärkt Auszubildende aus Drittstaaten zu gewinnen“, sagte Dercks. „Wichtig wäre zum Beispiel die Erleichterung der Zuwanderung zur Ausbildungsvorbereitung bereits vor dem Beginn der Ausbildung.“ Weiten Teilen von Politik und Wirtschaft sei bewusst, dass Zuwanderung einen wichtigen Beitrag gegen den Fachkräftemangel leisten müsse. „Der Weg dorthin ist sicher kein Sprint, sondern ein Marathon. Aber auch bei einem Marathon muss das Tempo stimmen, um den Anschluss nicht zu verlieren“, sagte Dercks.

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer hat eine grundsätzliche Neuausrichtung der Ausländerbehörden und der deutschen Botschaften im Ausland gefordert. „Die Ausländerbehörden müssen ,Welcome-Center´ werden, Visa müssen schneller erteilt werden. Sonst kommen die Leute nicht, zumal Deutschland ja ohnehin nicht den allerbesten Ruf als Einwanderungsland hat“, sagte Wollseifer unserer Redaktion. „Dabei haben wir einen enormen Bedarf im Handwerk: Die Klimakrise lässt sich nur mit qualifizierten Handwerkerinnen und Handwerkern bewältigen, ebenso der demografische Wandel oder die Wohnungsnot. Zuwanderung kann dazu beitragen, den Fachkräftebedarf zu mildern, aber den kompletten Bedarf wird auch sie nicht decken können“, sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). „Denn man muss realistisch bleiben: Hunderttausende Zuwanderer pro Jahr werden nicht kommen“, fügte er hinzu. Die Bundesregierung plane jetzt die Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. „Das muss jetzt schnell kommen. Die neuen Regeln müssen sich an der Praxis orientieren, unkompliziert und unbürokratisch sein. Kleine Betriebe haben keine großen Personalabteilungen, die sich lange mit Ausländerbehörden auseinandersetzen können“, mahnte Wollseifer.

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