Meinungsforscher uneinig über Euro-Rebellen Experten streiten über das Potenzial der AfD

Berlin · Die Euro-Rebellen der "Alternative für Deutschland" (AfD) schicken sich an diesem Wochenende an, den letzten weißen Fleck auf ihrer politischen Landkarte zu tilgen. Am Sonntag soll sich der Landesverband Bremen gründen.

 Meinungsforscher sind sich uneins über die Chancen der AfD.

Meinungsforscher sind sich uneins über die Chancen der AfD.

Foto: dpa, dbo vbm

Dann wird die Partei, die in der Euro-Schuldenkrise auch eine Rückkehr zur D-Mark als Option sieht, in allen 16 Bundesländern vertreten sein. Ein wichtiger Teil der Vorbereitungen für die Bundestagswahl im September ist damit abgeschlossen. Doch ob der neuen Partei der Sprung ins Parlament dann auch wirklich gelingt, steht in den Sternen. So sind sich Meinungsforscher uneinig über das Potenzial der Euro-Gegner um den Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke. Der Emnid-Geschäftsführer Klaus-Peter Schöppner meint, die AfD könne den Einzug in den Bundestag schaffen. Er verweist darauf, dass 24 Prozent der Wähler sich vorstellen können, ihr Kreuz bei der AfD zu machen.

Forsa ist skeptisch

Ganz anders sieht das Peter Matuschek von Forsa. "Die AfD hat keine guten Chancen, in den Bundestag reinzukommen", sagte er Reuters. Ihre Möglichkeiten lägen im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Beide Meinungsforscher stimmen zumindest in der Einschätzung überein, dass die AfD als Ein-Themen-Partei wahrgenommen wird, was das größte Hindernis für eine Etablierung sei. "Die meisten Bürger wählen eine Partei, die ihnen Lösungsangebote für alle Themenfelder macht", sagte Matuschek. Das sieht auch Schöppner so. Deswegen ist es für ihn eine Kardinalfrage, ob es den Euro-Rebellen gelingt, sich auch mit anderen Themen zu profilieren.

Aus Sicht des Berliner Politologen Oskar Niedermayer ist die AfD bereits auf den Weg hin zu einem politischen Profil, das über das reine Nein zum Euro hinausgeht. In dem knapp gehaltenen Wahlprogramm steht beispielsweise: "Wir stehen für den Schutz der Familie als Keimzelle der Gesellschaft." Das dürfte vielen konservativen Unionsanhängern aus dem Herzen sprechen. Derzeit wird vor allem in der CDU darüber gestritten, ob auch schwulen und lesbischen Paaren staatliche Privilegien gewährt werden sollten, die bislang nur klassischen Ehen vorbehalten waren. "Die AfD kann eine Alternative für politisch heimatlos gewordene konservative Wähler werden", sagte Niedermayer zu Reuters. Grund sei die Modernisierung und damit eine Werteverschiebung in der Partei. Beispielhaft für diese Entwicklung stünden die Debatten um Familienbild, Frauenquote und Homo-Ehe. Diesen konservativen Wählern dürfte auch die AfD-Forderung nach einem Ende der "ungeordneten Zuwanderung" gefallen.

AfD - eine Gefahr für die Union?

Ein Teil der AfD-Gründer kommt aus der CDU. Ob sich mit dem Erstarken der AfD eine Entwicklung im konservativ-bürgerlichen Spektrum abzeichnet, wie es vor Jahren im linken Politikbereich mit der Gründung der WASG und der anschließenden Bildung der Linkspartei geschehen ist, läßt sich nicht absehen. "Ob man die AfD als Abspaltung der CDU bezeichnen sollte, da bin ich noch ein bisschen vorsichtig", sagte Niedermayer. Fakt sei aber, dass die AfD versuche, das von der CDU enttäuschte konservative Bürgertum zu binden.

Folgerichtig sieht Niedermayer denn auch in der AfD vor allem eine Gefahr für Schwarz-Gelb. Es könne sogar reichen, wenn die AfD auf nur zwei bis zwei Prozent komme, um Schwarz-Gelb um den Sieg bei der Bundestagswahl zu bringen. Außenminister Guido Westerwelle warnte bereits: "Es wäre schlimm, wenn eine anti-europäische Partei als Wahlhelfer von Rot-Rot-Grün einen Wahlsieg von Schwarz-Gelb verhindern sollte."

Derweil steuern die Euro-Rebellen weiter auf die Bundestagswahl zu. Nächste Woche will die Partei ihre offizielle Bewerbung beim Bundeswahlleiter einreichen. AfD-Sprecherin Dagmar Metzger berichtet, demnächst werde eine Bundesgeschäftsstelle in Berlin eingerichtet: "Wir sind dabei, uns zu professionalisieren, wir können ja nicht alles im Ehrenamt lassen." Auch der Mitgliederzuwachs halte an. Nach jüngsten Zahlen seien es 11.407. Dazu kämen über tausend Förderer, die die AfD finanziell unterstützten. Mehrere Großveranstaltungen seien geplant.

Bei der AfD drängen sich Parallelen zur Piratenpartei auf, der fast aus dem Nichts ein kometenhafter Aufstieg gelungen war, um dann nach monatelangen Streitereien wieder abzustürzen. Auch in der AfD knirscht es bereits. Der Berliner Landesverband sagte eine für diesen Montag geplante Pressekonferenz ab. Zuvor wurde der Geschäftsführer des Landesverbandes, Matthias Goldstein, von seine Funktionen entbunden, Sprecher Matthias Lefarth legte sein Amt nieder. "Die Alternative für Deutschland soll auch und gerade in Berlin für einen neuen, sauberen Politikstil stehen", hieß es in der Pressemitteilung.

(REU/felt/nbe)
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