Mehrwertsteuererhöhungen Experten fordern Ende des Steuer-Hick-Hacks

Düsseldorf (RPO). Die Diskussion um eine höhere Mehrwertsteuer nach der Wahl hat neue Nahrung bekommen. Mit Günther Oettinger (CDU) hat sich erstmals ein Ministerpräsident für einen höheren reduzierten Mehrwertsteuersatz ausgesprochen. Als sicher kann gelten: Angesichts der Rekordneuverschuldung müssen die Steuern erhöht werden. Dafür, dass es wieder die Mehrwertsteuer sein wird, sprechen gute Gründe. Die Vorschläge stoßen auf ein geteiltes Expertenecho – in einem Punkt sind sie sich jedoch einig.

 Der baden-württembergische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende, Guenther Oettinger.

Der baden-württembergische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende, Guenther Oettinger.

Foto: ddp, ddp

Düsseldorf (RPO). Die Diskussion um eine höhere Mehrwertsteuer nach der Wahl hat neue Nahrung bekommen. Mit Günther Oettinger (CDU) hat sich erstmals ein Ministerpräsident für einen höheren reduzierten Mehrwertsteuersatz ausgesprochen. Als sicher kann gelten: Angesichts der Rekordneuverschuldung müssen die Steuern erhöht werden. Dafür, dass es wieder die Mehrwertsteuer sein wird, sprechen gute Gründe. Die Vorschläge stoßen auf ein geteiltes Expertenecho — in einem Punkt sind sie sich jedoch einig.

Die Rekordverschuldung heizt die Diskussion um mögliche Steuererhöhungen und -entlastungen an. Zwar bemühte sich die Führung der Union die Forderung von CDU-Finanzexperte Otto Bernhardt den reduzierten Mehrwertsteuersatz abzuschaffen, als Einzelmeinung herunterzuspielen. Schließlich wollen die Unionsparteien mit dem Versprechen in den Wahlkampf ziehen, Steuern zu senken. Doch angesichts der Rekordverschuldung in der Krise der Streit über Anhebung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes in der Union längst entbrannt.

Als erster Spitzenpolitiker der Union forderte Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) eine Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 7 auf 9,5 Prozent. "Eine Anpassung auf bis zur Hälfte ist denkbar", sagte er gegenüber der "Süddeutschen Zeitung".

Prof. Winfried Fuest vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln lehnt das vehement ab. Angesichts der derzeitigen Versuche, den Konsum mit Maßnahmen wie der Abwrackprämie anzukurbeln, sei es absurd, gleichzeitig Konsumsteuern zu erhöhen und damit die Konjunkturerholung abzuwürgen, sagte er gegenüber unserer Redaktion.

Unterstützung für den Vorschlag, den reduzierten Mehrwertsteuersatz abzuschaffen, kommt dagegen von Dr. Alfred Boss vom Institut für Weltwirtschaft zu Kiel. Dafür könnte im Gegenzug der reguläre Mehrwertsteuersatz entsprechend gesenkt werden, so Boss im Gespräch mit unserer Redaktion.

Zwar bevorzugt Boss eine radikale Ausgabenkürzung statt Steuererhöhungen, befürchtet aber, dass diese politisch nicht gewollt oder durchsetzbar sind. Eine Mehrwertsteuererhöhung hat aus seiner Sicht gegenüber anderen Steuererhöhung einen entscheidenden Vorteil: Eine Anhebung der Einkommenssteuer würde Arbeitsanreize mindern, höhere Kapitalsteuern Investitionsanreize. Konsumsteuern hätten dagegen keinen verzerrenden Effekt auf Arbeit und Investitionen.

Um die soziale Härten, die ein erhöhter Mehrwertsteuersatz auf Lebensmittel mit sich bringen würde, abzufedern, schlägt Boss erhöhte Sozialtransfers vor. "So würde das Geld auch bei den wirklich Bedürftigen ankommen. Warum sollte ich subventionierte Brötchen kaufen können?", fragt Boss.

Fuest hingegen fordert zwar ein Ende des "Tollhaus" bei den Ausnahmereglungen, die unter den reduzierten Mehrwertsteuersatz von derzeit sieben Prozent fallen. Es sei beispielsweise nicht nachvollziehbar, dass Schlachtesel steuerlich anders behandelt würden als Zugesel — oder, dass Tiernahrung unter den reduzierten Steuersatz falle, Babynahrung aber nicht. Völlig abgeschafft werden sollte der reduzierte Satz aber seiner Meinung nach aber nicht. "In England gibt es sogar einen Nullsteuersatz für Lebensmittel", merkt der Ökonom an.

In einem Punkt sind sich beide Ökonomen einig: Unter dem Strich werden die Steuerbelastung für die Bürger in der kommenden Legislaturperiode höher sein. Die Politik wird sich nach Einschätzung beider Experten mit Rücksicht auf Klientelinteressen wieder nicht trauen, den Dschungel an Subventionen zu lichten — und so die Ausgaben zu senken, statt die Steuern zu erhöhen.

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