Geburtstag fernab der Öffentlichkeit Ex-Bundespräsident Walter Scheel wird 95

Bad Krozingen · Walter Scheel suchte als Bundespräsident die Nähe zum Volk. Heute lebt er zurückgezogen im Pflegeheim, für Irritationen sorgt die Ehefrau. Den 95. Geburtstag feiert Scheel privat.

 Walter Scheel suchte als Bundespräsident die Nähe zum Volk.

Walter Scheel suchte als Bundespräsident die Nähe zum Volk.

Foto: dpa, dha sab

Walter Scheel ist vielen als singender Bundespräsident in Erinnerung. Politisch gehört er zu denen, die den Grundstein für die Deutsche Einheit legten. Mit Willy Brandt (SPD) richtete der FDP-Politiker die deutsche Ostpolitik neu aus und initiierte in Zeiten des Kalten Krieges eine richtungsweisende Entspannungspolitik. Am Dienstag (8. Juli) wird Scheel 95 Jahre alt.

Seinen Geburtstag feiert der zweifache Witwer mit seiner dritten Ehefrau Barbara privat in Bad Krozingen, sagt sein persönlicher Referent Christoph Höppel. In dem Kurort südlich von Freiburg lebt Scheel, der wegen seines hohen Alters gesundheitlich angeschlagen ist, in einem Pflegeheim. Aus der Öffentlichkeit hat er sich zurückgezogen. Eine offizielle Feier für den an Demenz leidenden Altbundespräsidenten gibt es nicht.

Die Scheels leben seit fünf Jahren in Bad Krozingen, verheiratet sind sie seit 1988. Die streitbare und selbstbewusst auftretende Ehefrau sorgt derzeit für einige öffentliche Irritation. Mit dem Pflegeheim ist sie über Kreuz, nach gegenseitigen Vorwürfen wehrt sich die Leitung inzwischen juristisch gegen Barbara Scheel. Sie belaste die Atmosphäre im Haus "durch zum Teil übergriffiges Verhalten oder verbale Entgleisungen gegenüber Mitbewohnern, Angehörigen und Gästen", zitiert "Bild am Sonntag" aus einer Erklärung der Betreibergesellschaft. Das Heim hat nach eigenen Angaben schon das Bundespräsidialamt um Hilfe gebeten.

Vorwürfe, sie habe verbotenerweise den Dienstwagen ihres Mannes genutzt, weist Barbara Scheel zurück. "Walter Scheel ist mein Leben", sagte sie. "Meine Aufgabe ist es, mich schützend vor ihn zu stellen und seine Würde zu erhalten." Deshalb vertrete sie ihn. Dies gelte auch im Konflikt mit dem Pflegeheim. Unrechtmäßig habe sie sich nicht verhalten.

Dies lastet ihr das Bundespräsidialamt - zumindest öffentlich - auch nicht an. Es sind wohl eher tief sitzende atmosphärische Störungen, die sich zu einer öffentlich ausgetragenen Schlammschlacht entwickelten und den Geburtstag nun überschatten.

Weil Scheel keine offiziellen Termine mehr wahrnehmen kann, wird sein Büro in Bad Krozingen zum 1. August geschlossen, sagt ein Sprecher des Bundespräsidialamtes in Berlin. Aus diesem Grund werde auch sein Dienstwagen abgeschafft, Fahrer und Sekretärin werden nicht mehr benötigt. Scheels Referent soll künftig von Berlin aus wirken. Das Gebäude, in dem das Scheel-Büro noch untergebracht ist, soll nach dem Willen der Gemeinde künftig Walter-Scheel-Haus heißen.

Zum Geburtstag rückt das Lebenswerk Scheels in den Vordergrund

Er ist der letzte noch lebende Minister der Regierungen Konrad Adenauer und Ludwig Erhard (beide CDU). In den 1960er und 70er Jahren war er einer der populärsten und bedeutendsten deutschen Politiker. Scheel war Außenminister und Vizekanzler der von Brandt geführten sozial-liberalen Regierung, von 1974 bis 1979 dann Bundespräsident.

Scheel, in Solingen als Sohn eines Stellmachers geboren, war das vierte Staatsoberhaupt der Republik. Seine fünfjährige Amtszeit wurde überschattet vom Höhepunkt der Terrorwelle der Roten Armee Fraktion (RAF). Außenpolitisch setzte Scheel die Entspannungspolitik fort.
1975 besuchte er als erster Bundespräsident die Sowjetunion.

Die Weichen hatte er Jahre zuvor gestellt. An der Seite von Willy Brandt setzte Scheel als Außenminister die umstrittenen Ostverträge durch und vollzog eine Neuausrichtung der Ostpolitik. Annäherung war sein Ziel. "Willy Brandt konnte nur deshalb das Land verändern, weil er mit Walter Scheel einen kongenialen Partner hatte", sagt der heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

In Erinnerung blieb Scheels ausgeprägtes Redetalent. Der Liberale mit dem markanten von Silberlöckchen umrahmten Kopf gab dem Amt des Bundespräsidenten rhetorischen Glanz, betonte gleichzeitig die Nähe zum Volk. Im Ausland wurde er auch "Mister Bundesrepublik" genannt.
Auf eine zweite Amtszeit als Bundespräsident verzichtete er, weil sich CDU und CSU im Frühjahr 1979 auf Karl Carstens als Kandidaten einigten und ihn damit zu Scheels Nachfolger machten.

Schmücken konnte er sich mit einer großen Goldenen und einer Platin-Schallplatte. Denn Scheel machte nicht nur Politik, er tat sich auch als Sänger hervor. Das von ihm 1973 gemeinsam mit dem Düsseldorfer Männerchor aufgenommene Volkslied "Hoch auf dem gelben Wagen" stürmte die Hitparaden. Es wurde Scheels Markenzeichen.

(dpa)
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