Evakuierung wegen Coronavirus Rückholaktion für Deutsche gestartet

Köln/Wuhan · Rund 130 Personen warten in der chinesischen Metropole Wuhan darauf, ausgeflogen zu werden. Die Stadt ist besonders von dem neuartigen Coronavirus betroffen. In den sozialen Netzen wehren sich Asiaten gegen Anfeindungen.

 Bestattungshelfer desinfizieren sich nach dem Umgang mit einem Opfer, das an den Folgen des Coronavirus gestorben ist.

Bestattungshelfer desinfizieren sich nach dem Umgang mit einem Opfer, das an den Folgen des Coronavirus gestorben ist.

Foto: dpa/Uncredited

Kurz nach 12 Uhr hebt der Bundeswehr-Airbus A310 „Kurt Schumacher“ vom Rollfeld in Köln-Bonn ab. Sein Ziel: Wuhan, rund 8300 Kilometer östlich. In der chinesischen Metropole warten rund 130 Deutsche und etwa 40 Angehörige anderer Staatsangehörigkeiten darauf, ausgeflogen zu werden. Die Bundesregierung hatte sich aufgrund des Ausbruchs des neuartigen Coronavirus in der Region zu der Rückholaktion entschieden. Die Maschine wird im Laufe des Samstags oder des frühen Sonntags zurück in Deutschland erwartet. Alle Evakuierten sollen nach der Landung in Frankfurt zwei Wochen lang in einer Ausbildungskaserne der Bundeswehr im rheinland-pfälzischen Germersheim untergebracht werden. Die Quarantäne ist laut Gesundheitsministerium nötig, um die Inkubationszeit des Virus abzuwarten. Bisher zeigt keiner der Passagiere Symptome einer Erkrankung.

Global betrachtet stieg die Zahl der Infektionen und Todesfälle am Freitag stärker als bisher. Es gab 1981 mehr Erkrankte, damit liegt die Zahl nun bei 9692, wie die Gesundheitskommission in Peking berichtete. Die Zahl der Toten stieg um 42 auf 213. Die Weltgesundheitsorganisation WHO erklärte am Donnerstagabend die Ausbreitung des Virus zu einer „gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite“. Die 194 Mitgliedsländer werden damit von der WHO empfohlene Krisenmaßnahmen untereinander koordinieren.

Der Chef der Kommunistischen Partei in Wuhan räumte Versäumnisse bei der ersten Reaktion auf den Virusausbruch ein. Er empfinde „Schuld, Reue“ und mache sich selbst Vorwürfe, sagte Ma Guoqiang im staatlichen Fernsehsender CCTV. Hätte es zu Beginn des Ausbruchs strengere Kontrollmaßnahmen gegeben, wäre die Epidemie möglicherweise glimpflicher verlaufen, fügte Ma hinzu.

In Deutschland sind die Kliniken nach Ansicht des Bundesgesundheitsministeriums angemessen auf neue Coronafälle vorbereitet. Das Gesundheitswesen sei mit der derzeitigen Situation nicht überfordert, sagte Ministeriumssprecher Hanno Kautz. Infizierte bräuchten keine Sonderintensivstation, sondern nur eine einfache Intensivstation, und die habe jedes Krankenhaus. Die Bundesärztekammer hingegen sieht die Krankenhäuser nicht ausreichend gewappnet. Optimal für Patienten mit diesem Virus seien Einzelzimmer mit Vorschleusen, von denen es aber nicht mehr sehr viele gebe, sagte die Pandemie-Beauftragte der Kammer, Susanne Johna, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Zahl dieser Zimmer sei im vergangenen Jahrzehnt aus Kostengründen reduziert worden. Eine aktuelle Bedrohung gebe es aber nicht.

Am Düsseldorfer Flughafen kam es dennoch am Freitag zu einem Streit um das Tragen eines Mundschutzes. Eine Mitarbeiterin des Sicherheitsdienstleisters Kötter Security wollte eine entsprechende Maske bei der Arbeit tragen. Das wollte ihr Arbeitgeber jedoch zunächst nicht und berief sich auf die Bundespolizei. Diese informiert, dass „eine Trageerlaubnis eines Mundschutzes für Luftsicherheitsassistenten im Bereich der Transferkontrollstelle nicht vorgesehen“ sei. Für Özay Tarim, Sekretär der Gewerkschaft Verdi, ein Skandal. „Hier geht es um das Sicherheitsbedürfnis der Mitarbeiter, das respektiert werden muss“, sagte er. Kötter lenkte wenig später ein und teilte mit: „Wir respektieren das individuelle Schutzbedürfnis unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb stellen wir ihnen frei, einen Mundschutz zu tragen.“

Während die Lage in Deutschland damit noch vergleichsweise entspannt ist, rief die italienische Regierung den nationalen Notstand aus. Dieser solle sechs Monate gelten, teilte die Regierung in Rom mit. Bei zwei Touristen aus China war das Coronavirus festgestellt worden. Sie waren in einem Hotel im Zentrum von Rom untergebracht, unweit des Kolosseums und der Kaiserforen. Das Paar, das aus Wuhan kommen soll, ist nun auf einer Isolierstation in Rom. Italien hat nach eigenen Angaben als erstes Land der EU alle Flüge von und nach China gestoppt. Auch mehrere Fluggesellschaften anderer Länder ergriffen diesen Schritt bereits, zuletzt Delta Air Lines und American Airlines.

China, das bereits mit drastischen Abschottungsmaßnahmen gegen eine weitere Ausbreitung des Virus ankämpft, kündigte an, ins Ausland gereiste Bürger aus Hubei so rasch wie möglich mit Chartermaschinen zurück in die Provinz zu fliegen. Als Grund nannte eine Sprecherin des Außenministeriums „praktische Schwierigkeiten“, mit denen Bürger aus Hubei und besonders der dortigen Millionenmetropole Wuhan im Ausland konfrontiert seien.

In Frankreich und Deutschland gibt es erste Meldungen, wonach Menschen mit asiatischem Aussehen angefeindet und diskriminiert wurden. Unter dem Hashtag „ichbinkeinvirus“ setzen sie sich zur Wehr. Auch SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hält dagegen. „Dass in Deutschland vereinzelt chinesische Touristengruppen angefeindet oder nicht mehr in Restaurants gelassen werden, ist nicht akzeptabel“, sagte Lauterbach. Medizinisch mache das auch keinen Sinn. Es sei sehr unwahrscheinlich, sich zu infizieren. „Wir dürfen Menschen nicht unter Generalverdacht stellen“, sagte Lauterbach: „Es genügt, die allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen wie häufiges Händewaschen und in die Armbeuge husten zu beherzigen.“

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