Konkurrenz der Supermächte Wie sich Europa auf China einstellen sollte

Meinung · Die Weltmächte justieren sich neu, die EU muss ihren Platz finden. Doch das ist nicht die Zeit für Ambitionen, die mehr Selbstüberschätzung als Weitsicht verraten, sondern für kluge Interessenspolitik. Da kann die EU mehr erreichen, als viele annehmen.

 Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) besichtigt die Flender GmbH in Tianjin und wird von Arbeitern begrüßt.

Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) besichtigt die Flender GmbH in Tianjin und wird von Arbeitern begrüßt.

Foto: dpa/Soeren Stache

Russlands Angriff auf die Ukraine bedeutet vor allem Leid und Zerstörung für die betroffenen Menschen. Aber er hat auch geopolitische Folgen, die gerade besonders spürbar werden. Denn es geht darum, wie sich die EU zwischen den aggressiver konkurrierenden Supermächten positioniert. Und mit ihr Deutschland.

Durchdekliniert wird das gerade am Verhältnis zu China. Die jüngsten Reisen der EU-Kommissionspräsidentin, des französischen Staatschefs und nun der deutschen Außenministerin nach Peking dienen also auch der Selbstreflexion Europas. Und da kann man sich nur wünschen, dass nach den französischen EU-Supermachtfantasien Ernüchterung einsetzt. Denn politische Ambitionen sind das eine. Das andere sind zwei Wahrheiten, die es in Balance zu bringen gilt: Die EU braucht die USA als militärisch potenten Hauptverbündeten. Und sie braucht China als Wirtschaftspartner und – ob es dem Westen nun gefällt oder nicht – als Unterstützer für ein Ende des Krieges in der Ukraine.

„Der zukünftige Umgang der EU mit China ist – aus Sicht der USA – das entscheidende Kriterium für die transatlantischen Beziehungen“, sagt die Geopolitik-Expertin Claudia Schmucker von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die USA würden nicht verlangen, dass sich die EU entkoppelt. Sie drängen jedoch auf strengere Handels- und Investitionskontrollen, vor allem in kritischen High-Tech Sektoren. Das bedeutet für die deutsche Wirtschaft, dass sie nach Corona und Energiekrise im Krisenmodus weiterdenken und ihre Produktions- wie Absatzszenarien strengen Stresstests unterziehen muss. „Geopolitische Risiken“ seien in Geschäftsentscheidungen „einzupreisen“, sagt Schmucker. Außerdem ergeben sich aus dem geopolitischen Wandel langfristige politische Ziele: „Die EU sollte ihre Kapazitäten – auch im Verteidigungsbereich – stärken und mehr Verantwortung übernehmen“, sagt Schmucker. Allerdings bleibe die transatlantische Partnerschaft einer der wichtigsten Pfeiler. Und die EU teile auch viele Bedenken der USA gegen China. Im Fall eines chinesischen Angriffs auf Taiwan könnte die EU jedenfalls doch zu Entkoppelungen von China gezwungen sein. Und die Verwerfungen wären weit größer als im Fall Russland.

Die Aussichten sind ungemütlich, doch dagegen helfen keine Visionen von einer „strategischen Autonomie“ der EU, sondern vor allem Pragmatismus und Klugheit – im Handeln wie im Ton.

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