Finanzminister Schäuble im Interview "Eurobonds möchte ich nicht erleben"

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hofft bei der Abstimmung über Hilfen für spanische Banken auf die Unterstützung von SPD und Grünen. Angesichts der ohnehin hohen Nervosität an den Börsen geißelt er im Interview mit unserer Redaktion "unverantwortliche Äußerungen" mancher Euro-Retter.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

Herr Minister, angeschlagene Banken in der Euro-Zone sollen bald auch direkte Hilfe aus den Euro-Rettungsfonds erhalten können. Wer soll für die Bankenhilfe haften? Darüber gibt es erhebliche Verwirrung!

Schäuble Sie sorgen schon mit Ihrer Frage für weitere Verwirrung. Also eines nach dem anderen. Wir haben klare vertragliche Regelungen: Es gibt keinen direkten Zugang von Banken zum Euro-Rettungsschirm EFSF. Was es gibt, ist das bereits vom Bundestag genehmigte Instrument der Hilfe an einen Staat für die Rekapitalisierung seiner Banken. Demnach beantragt der Staat die Hilfe, die Hilfe geht an eine staatliche Stelle, der Staat ist für die Rückzahlung der Hilfe verantwortlich, und der hilfesuchende Staat verpflichtet sich im Gegenzug zu einer umfangreichen Sanierung seines Bankensektors und zu weiteren Anpassungsmaßnahmen. Genau dies steht jetzt in Spanien an. Die spanischen Banken haben als Folge der Immobilienblase 2008 ein spezielles Problem, das Spanien wegen der Verunsicherung an den Finanzmärkten nicht allein lösen kann. Die spanische Regierung geht die notwendigen Maßnahmen entschlossen und zügig an . . .

... mancher zweifelt aber an der Wettbewerbsfähigkeit Spaniens insgesamt.

Schäuble Es gibt überhaupt keinen Anlass, über diesen Antrag hinaus über ein umfassendes Hilfsprogramm für Spanien zu spekulieren. Das braucht Spanien wirklich nicht. Über dieses bestehende EFSF-Instrument für Spanien hinaus haben sich die Staats- und Regierungschefs Ende Juni aber auch weitere Gedanken gemacht...

... genau darüber würden wir gerne mit Ihnen reden.

Schäuble Die Staats- und Regierungschefs haben dies beschlossen: Wenn eine europäische Bankenaufsicht diskutiert, beschlossen, in Kraft ist und funktioniert, dann könnte ein Beschluss gefasst werden, der es ermöglichen würde, dass Banken direkt von dem Rettungsschirm rekapitalisiert werden können. Wie das dann technisch aussieht, ist völlig offen. Dieser Beschluss müsste einstimmig gefasst werden, und der Bundestag müsste vorher zustimmen. Es ist einfach absurd, dass durch missverständliche und unverantwortliche Äußerungen Einzelner der Eindruck erweckt worden ist, als stünden direkte Bankenhilfen ohne staatliche Haftung jetzt zur Entscheidung an. Das ist vollkommen unzutreffend.

Wenn die Bankenaufsicht noch nicht arbeitet, aber noch mehr Banken auch in anderen Euro-Ländern gerettet werden müssten, was passiert bis dahin?

Schäuble Dann stellt der betreffende Staat einen Antrag. Das ist doch logisch: Solange die Staaten die Bankenaufsicht haben, müssen sie auch die Haftung übernehmen. Ich kann doch beispielsweise nicht eine Bank in Honolulu mit Kapital ausstatten, ohne die Möglichkeit zu haben, zu erzwingen, was die Bank mit dem Kapital macht. Derjenige, der die Aufsicht über die Banken hat, muss auch die Haftung haben. Deutschland hat hier klar Kurs gehalten. Die aufgeregte Pressearbeit anderer lasse ich einmal unkommentiert. Man sollte niemals an den Märkten zu hohe Erwartungen schüren. Das ist nicht hilfreich.

Stimmen Sie der Europäischen Zentralbank zu, dass wir eine Bankenunion in Europa brauchen werden, um den Euro langfristig zu stabilisieren?

Schäuble Wir brauchen als dauerhafte Antwort auf die Krise mehr Europa. Dazu gehören eine Fiskalunion und eine Bankenunion. Es macht aber äußerst wenig Sinn, die jetzige Krise dadurch lösen zu wollen, dass man ständig zwischen kurzfristig Möglichem und langfristig wünschenswerten Maßnahmen nicht sauber unterscheidet. Die Bundesregierung wird darauf achten, dass diese Verwischung nicht stattfindet. Denn das sorgt für Unklarheit, was wiederum zu Verunsicherung auf den Märkten führt. Das ist aktuell ein echtes Problem. Spanien leidet darunter. Sie machen in einer bewundernswerten Weise das Richtige. Aber das Raunen und Reden an den Märkten und anderswo macht es für Spanien in völlig unnötiger Weise zusätzlich schwer.

Wann wird eine solche Bankenunion stehen, schon 2013?

Schäuble So schnell geht es nicht. Dazu brauchen wir voraussichtlich Änderungen des EU-Vertrags.

Der Euro wird also auch dann überleben, wenn es nicht gelingt, schneller eine solche Bankenunion zu schaffen?

Schäuble Der Euro ist eine stabile Währung. Die Finanzmärkte suchen dringend Anlagemöglichkeiten in der größten Wirtschaftsregion der Welt. Wir sollten alle ein bisschen auf unsere Kommunikation achten. Denn manch Auftritt kann abschreckend wirken. Was soll ich beispielsweise mit der Warnung vor zwölf Billionen Schulden bei europäischen Banken anfangen? Natürlich haben die Banken Schulden, aber dazu gehören ja auch die ganz normalen Einlagen von Bankkunden wie Ihnen und mir. So funktioniert nun mal das Bankgeschäft. Einlagen und Schulden über einen Kamm zu scheren, ist nun wirklich nicht wissenschaftlich sauber.

Ist am Donnerstag bei der Abstimmung über die Spanien-Hilfe im Bundestag die Kanzlermehrheit notwendig?

Schäuble Wozu? Die Kanzlermehrheit ist nur notwendig, wenn ein Bundeskanzler die Vertrauensfrage stellt oder wenn man einen Einspruch des Bundesrats zurückweist. Ansonsten braucht man einfach nur die Mehrheit. Wir wollen natürlich ein möglichst großes Maß an Geschlossenheit in den eigenen Reihen. Wir hoffen zudem darauf, dass auch SPD und Grüne ihre europäische Verantwortung wahrnehmen.

Kann die Euro-Zone gestärkt werden, wenn ein Mitglied den Euro verlässt?

Schäuble Die Euro-Zone kann auf jeden Fall nicht gestärkt werden, indem ein Finanzminister solche Fragen beantwortet.

Die CSU ist der Meinung, die Euro-Zone stünde ohne Griechenland besser da. Teilen Sie diese Auffassung?

Schäuble Griechenland ist ein einzigartiger Fall. Wir haben in Griechenland bereits einen erfolgreichen Schuldenschnitt absolviert. Und ein zweites Programm aufgesetzt. Nun muss die Troika überprüfen, inwieweit Griechenland dieses umgesetzt hat. Dann muss sie und müssen wir eine Entscheidung fällen. Es geht darum, den Weg fortzusetzen, der Griechenland in absehbarer Zeit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bietet, an die Finanzmärkte zurückzukehren. Dazu sind schwere und tiefgreifende Anpassungsmaßnahmen in vielen Bereichen notwendig. Das kann man den Griechen nicht abnehmen. Das Programm ist beschlossen, die Parameter sind gesetzt und gelten fort. Und jetzt warten wir den Bericht der Troika ab.

Wird es keine Eurobonds — also gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Staaten — geben, solange Sie leben?

Schäuble Es gilt auch hier das Prinzip: keine Haftung ohne Kontrolle. Solange es keine gemeinsame Finanzpolitik in Europa gibt, so lange wird es keine Eurobonds geben. Eurobonds in diesem Sinne möchte auch ich in meinem Leben nicht erleben.

Das Interview führten Michael Bröcker und Birgit Marschall.

(mar/brö)
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