Streit mit NATO beigelegt EU wird eigene Militäreinsätze planen und führen

Brüssel (rpo). Erstmals in ihrer Geschichte wird die Europäische Union künftig militärische Einsätze unabhängig planen und führen können.

<P>Brüssel (rpo). Erstmals in ihrer Geschichte wird die Europäische Union künftig militärische Einsätze unabhängig planen und führen können.

Nach monatelangem Streit verständigte sich die EU mit der NATO auf eine entsprechende Ausgestaltung der künftigen Militärpolitik der Europäischen Union. Die Einigung wurde am Freitag von den EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel besiegelt. Der britische Premierminister Tony Blair betonte, dies werde die transatlantische Allianz stärken.

Blair sagte, die NATO bleibe der Eckpfeiler der europäischen Verteidigung. Zugleich sei gesichert, dass die EU alleine agieren könne, wenn es um "vitale europäische Interessen" gehe. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer sprach von einer "sehr guten Entscheidung", für die sich "alle Seiten bewegt" hätten. Es werde deutlich, dass die EU-Militärpolitik nicht gegen die NATO gerichtet sei, sondern darauf ziele, den europäischen Pfeiler zu stärken. Angesichts der Haushaltslage auch in Deutschland sei eine engeren Zusammenarbeit der Europäer in militärischen Fragen notwendig.

Auch der außenpolitische Repräsentant der EU, Javier Solana, und NATO-Generalsekretär George Robertson begrüßten die Übereinkunft. Robertson sprach von einem guten Ergebnis für beide Organisationen. Nach einer Gipfelerklärung soll die Vereinbarung 2004 "so schnell wie möglich" umgesetzt werden.

Der Einigung zufolge wird die NATO mit einer Liaison in der vorgesehenen EU-Zelle zur Planung und Führung militärischer Einsätze vertreten sein. Im Gegenzug soll die bereits bestehende EU-Planungszelle im militärischen NATO-Hauptquartier SHAPE eine permanente Einrichtung werden. Besonders die USA hatten sich bislang gegen eine eigenständige Planungszelle der EU gewehrt, weil sie eine Schwächung der NATO befürchteten.

Der EU-Erklärung zufolge soll die NATO bei militärischen Einsätzen weiterhin den ersten Zugriff haben. Wenn die transatlantische Allianz nicht eingreifen will, kann die EU an ihre Stelle treten. Zunächst soll dazu aber eine Vereinbarung beider Organisationen greifen, nach der die EU auf NATO-Strukturen zurückgreifen kann. Dies wurde bei dem am Montag endenden EU-Einsatz in Mazedonien bereits praktiziert. Die dafür bei SHAPE entstandene EU-Planungszelle soll jetzt permanent werden.

Ausgangspunkt Pralinengipfel

Wenn die EU einen Einsatz aber autonom führen will, soll dazu zunächst auf die bereits bestehenden nationalen Planungs-Hauptquartiere in Potsdam, Paris und London zurückgegriffen werden. Dies war bereits beim EU-Einsatz in Kongo im Sommer der Fall, der unter französischer Führung stand.

Die EU-Planungszelle in Brüssel, die nach dem Beschluss aufgestockt werden soll, kommt nur unter zwei Bedingungen zum Einsatz. Zunächst muss nach Angaben von Diplomaten festgestellt werden, dass die Mission neben militärischen auch zivile Aspekte beinhaltet. Zum anderen müsse entschieden werden, dass dafür keines der nationalen Hauptquartiere in Frage komme. Erst dann werde in der EU-Planungszelle ein operatives Hauptquartier gebildet, das den Einsatz führt.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten sich auf ein entsprechendes Vorgehen bereits Ende November verständigt. Die anderen EU-Staaten signalisierten bei einem Treffen der EU-Außenminister in Neapel am 28. und 29. November ihre Zustimmung zu der Vereinbarung. Blair stand daraufhin mehrmals in Kontakt mit US-Präsident George W. Bush, um diesen von den EU-Plänen zu überzeugen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort