Vier Staaten fordern Subventionen EU streitet um Nuklearenergie

Brüssel · Deutschland steigt aus, Frankreich setzt darauf: Die Atomkraft ist in Europa umstritten. Nun fordern vier EU-Länder eine Aufwertung der Nuklearenergie - und Subventionen. Europas Minister werden demnächst darüber beraten. Deutsche Umweltverbände und Grüne sind entsetzt.

In der EU ist die Debatte um die Stellung der Atomkraft neu entbrannt. Im Gegensatz zu Deutschland wollen mehrere EU-Staaten die Nuklearenergie mit erneuerbaren Energien gleichstellen und subventionsfähig machen. Über entsprechende Vorstöße einiger Länder werden die EU-Minister bei ihrem Treffen Ende nächster Woche in Dänemark diskutieren, sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Freitag in Brüssel. Dabei gehe es um die Frage, ob Nuklearenergie auf EU-Ebene - ebenso wie erneuerbare Energien - als klimafreundlich eingestuft werden könnte. Staatliche Unterstützung würde leichter.

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" haben die vier Länder Frankreich, Großbritannien, Polen und Tschechien entsprechende Schreiben nach Brüssel geschickt. Ihr Ziel sei es, Atomkraftwerke künftig wie Solaranlagen oder Windräder als emissionsarme Technologien einzustufen. Falls sie sich durchsetzten, könnte der Bau neuer AKWs, aber auch der Verkauf von Atomstrom gefördert werden.

Dabei geht es nach Angaben von EU-Diplomaten um Subventionen der Mitgliedsländer, aber auch der EU selbst. Bislang können Staaten den Bau von Atomkraftwerken fördern, müssen dabei aber die allgemeinen EU-Regeln einhalten. "Die staatliche Beihilfe darf den Wettbewerb nicht verzerren und muss im öffentlichen Interesse liegen", sagte der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. Es gebe keine besonderen Regeln für solche Finanzspritzen im Atomsektor - im Gegensatz zu erneuerbaren Energien, bei denen Staaten leichter Geld zuschießen könnten.

Aus Brüssel fließt bislang kein Geld für den Neubau von AKWs. "Die EU-Kommission finanziert den Bau von Nuklearanlagen derzeit nicht - auch nicht teilweise", sagte ein anderer Kommissionssprecher: "Wie das in Zukunft sein wird, hängt von den Ergebnissen der Debatte ab.
Das werden uns die Mitgliedsstaaten sagen."

In Europa ist es Sache jedes einzelnen Staates, über die Nutzung von Energieträgern wie Kohle, Öl, Gas, Wind oder Atomkraft zu entscheiden. Auch der Energiemix ist nationale Angelegenheit. Während Frankreich einen großen Teil seines Stroms aus Kernkraft gewinnt, hat Deutschland 2011 den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen.
Tschechien möchte das umstrittene AKW Temelín nahe der bayerischen Grenze ausbauen, Polen prüft geeignete Standorte für Kraftwerke.

Derzeit läuft die Debatte um die zukünftige EU-Energiepolitik, den sogenannten Energiefahrplan 2050. Die EU-Kommission hat darin Modelle vorgelegt. Atomkraft soll nach den Plänen wichtig bleiben. Bis 2050 will die EU-Kommission den Ausstoß des Klimakillers CO2 um 80 bis 95 Prozent im Vergleich mit 1990 verringern.

Laut Bundesumweltministerium wollen die EU-Staaten bei dem Ministertreffen am 15. Juni ein Papier verabschieden. Was darin stehe, werde "richtungsweisend" für die zukünftige Energiepolitik sein, schrieb das Ministerium. Für den Beschluss sei grundsätzlich Einstimmigkeit nötig, Enthaltungen würden die Annahme nicht behindern.
Aus Deutschland gab es heftige Kritik von Umweltverbänden, Grünen und FDP. Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, sagte: "Ein Jahr nach Fukushima Milliardensubventionen für die Risikotechnologie Atomkraft zu fordern, ist Absurdistan in Reinkultur." Greenpeace-Atomexperte Tobias Münchmeyer kritisierte das Verhalten von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU): "Während Röttgen sich nur noch um seinen Wahlkampf kümmert, wird in Brüssel die Zukunft der Erneuerbaren kaputtgemacht."

Aus dem Bundestag kamen ebenfalls kritische Stimmen: "Atomstrom zu subventionieren widerspricht allem, was in Deutschland beschlossen wurde", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, Horst Meierhofer (FDP). Auch aus den Reihen der Opposition erntete der Vorstoß Kritik: "Deutschland muss sich dieser Forderung in den Weg stellen", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bundestagsgrünen, Bärbel Höhn.

(dpa)
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