Kommentar zum Gipfel in Scharm el Scheich Menschenrechte first

Berlin · Der Gipfel in Scharm el Scheich ist eine Lehre für die EU: Sie kann gar nicht zu viel über Menschenrechte sprechen.

 Staats- und Regierungschefs der EU und der Arabischen Liga in Scharm el Scheich

Staats- und Regierungschefs der EU und der Arabischen Liga in Scharm el Scheich

Foto: dpa/Oliver Weiken

Wenn Journalisten in einer Pressekonferenz ihren Regierungschef beklatschen, läuft etwas gehörig schief. Entweder sind die Berichterstatter nicht frei in ihrem Handeln oder sie haben ihre Profession nicht verstanden - oder es sind keine Journalisten. Beim Auftritt des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi nach dem Gipfel der Europäischen Union und der Arabischen Liga im Badeort Scharm el Scheich applaudierten die einheimischen Medienvertreter wieder lange. Auch bei einer Pressekonferenz des früheren Generals mit Kanzlerin Angela Merkel im Kanzleramt war er von seinen Leuten bejubelt worden. Offensichtlich gehört das zu seinem Verständnis von seinem Amt: Man habe ihm zu huldigen. Schon daran zeigt sich, wie groß die Herausforderung für die meisten Staats- und Regierungschefs der EU ist, mit al-Sisi und seinesgleichen zusammenzuarbeiten.

Der erste Gipfel der Vertreter dieser beiden unterschiedlichen Welten der EU und arabischen Staaten ist ein wichtiges Puzzleteil für eine friedliche Entwicklung. Krieg, Bürgerkrieg, Terror, Flucht, Klimawandel, Hunger – all das kann nicht mehr isoliert betrachtet werden. In der globalisierten Welt hängt alles mit allem zusammen. Und weil in der Politik Reden immer besser ist als Schweigen, ist ein solches Treffen ein Fortschritt.

Nur, man darf nicht zu viel erwarten. Es ist ein Hohn, dass al-Sisi bewusst provozierend vortragen ließ, keiner der Anwesenden habe während des Gipfels über die Unzufriedenheit mit der Menschenrechtslage in arabischen Ländern gesprochen. Er hätte besser dazu geschwiegen. Denn der Affront bestätigt im Westen die Vorurteile über Präsidenten und Könige, in deren Ländern Menschen hingerichtet, Frauen unterdrückt, Freiheiten beschränkt - und Journalisten eingesperrt, gefoltert und ermordet werden. Der Fall des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi wird nicht vergessen werden.

Das dürre Abschlussdokument des Gipfels ist zu vernachlässigen. Auch andere Gipfeltreffen produzieren selten wirklich große Ergebnisse. Wichtig ist das Signal, dass sich die EU und die arabische Nachbarregion um eine Annäherung bemühen. Sie werden sich brauchen. Und es ist ein Zeichen gegen die Politik des US-Präsidenten Donald Trump, der Alleingänge bevorzugt und erst einmal alles in Scherben legt, um die anschließende mühselige Aufräumarbeit als Deal zu bezeichnen.

Eines aber ist nach dem Treffen im schönen Badeort auch klar: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte vor dem Gipfel gesagt, man wolle die Menschenrechtsfrage nicht unter den Teppich kehren, aber auch nicht überbetonen. Doch. Man muss sie „überbetonen“. Sonst wird sie überhört.

(kd)
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