Merkel soll im Dezember als Zeugin aussagen Eskalation im Kundus-Ausschuss

Berlin (RPO). Im Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages ist der monatelange Verfahrensstreit eskaliert. Am Donnerstag reichte die SPD unterstützt von den Linken Klage beim Bundesgerichtshof wegen Verletzung ihrer Minderheitenrechte ein.

Kundus-Affäre: Hauptpersonen und offene Fragen
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Foto: AP

Anlass ist die Weigerung der schwarz-gelben Koalition, eine Gegenüberstellung von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit den beiden von ihm entlassenen Spitzenbeamten, Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan sowie Staatssekretär Peter Wichert, zuzulassen.

Die Opposition will hier nachweisen, dass es für den Meinungsschwenk des Ministers sowie für die Entlassung keine objektiven Gründe gab. SPD-Verteidigungsexperten Rainer Arnold sagte, nur durch eine Gegenüberstellung, die am 30. September stattfinden solle, könnten die im Ausschussverlauf aufgetretenen Widersprüche geklärt werden.

Spitzenbeamte geopfert

Er warf Guttenberg erneut vor, beim umstrittenen Luftschlag von Kundus seine Meinung aus populistischen Gründen geändert und dafür die Spitzenbeamten geopfert zu haben. "Es verdichtet sich der Eindruck, dass er (Guttenberg) sich seine Meinung von einem großen Boulevardblatt in den Kopf diktieren ließ", sagte Arnold.

Ähnlich bewertete die Linksfraktion die Lage. Deren Ausschussobmann Paul Schäfer sagte, Guttenberg habe offensichtlich "aufgrund der öffentlichen Wahrnehmung" seine Meinung geändert. Daher sei eine Gegenüberstellung "zwingend". Zudem sei noch der gesamte Komplex Kanzleramt offen. "Das werden wir bis Jahresende noch abarbeiten müssen."

Grünen-Obmann Omid Nouripour betonte, die Opposition wolle zum Schluss noch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hören. Dann könne hoffentlich geklärt werden, wie es im vergangenen Jahr zu dem Meinungsumschwung der Bundesregierung kam.

142 Menschen getötet

Insgesamt hat die Opposition 26 weitere Zeugen benannt, die im Untersuchungsausschuss noch gehört werden sollen. Letzte Zeugin soll am 16. Dezember Bundeskanzlerin Merkel sein. Der Ausschuss soll die Hintergründe des Luftschlages im nordafghanischen Kundus klären.

Bei der von einem deutschen Oberst angeordneten Bombardierung zweier gestohlener Tanklastzüge durch Aufständische waren 142 Menschen getötet worden, darunter viele Zivilisten. Guttenberg hatte den Luftschlag zunächst als militärisch angemessen bezeichnet, diese Einschätzung aber wenige Wochen darauf revidiert.

Die Koalition sah in dem umfassenden Zeugenaufruf wenig Sinn. "Für mich ist eigentlich die Zeugeneinvernahme abgeschlossen", sagte der Sprecher der Unions-Fraktion im Untersuchungsausschuss, Ernst-Reinhard Beck (CDU). Den schon bei den letzten Zeugen hätte sich nicht viel Neues ergeben.

Opposition darf Zeugen bestimmen

Zwar habe die Opposition das Recht, ihre Zeugen zu bestimmen und dies noch bis Jahresende weiterzuführen, doch gebe es mit der anstehenden Bundeswehrreform größere Probleme. Eine Abarbeitung an weiteren Zeugen sei für ihn "eine Verschwendung von Zeit und Energie".

Der Verteidigungsausschuss des Bundestages hatte sich Ende 2009 als Kundus-Untersuchungsausschuss konstituiert. Der offizielle Auftrag lautet, den Luftangriff vom September 2009, die diesbezügliche Aufklärungs- und Informationspraxis der Bundesregierung sowie die Vereinbarkeit der gewählten Vorgehensweisen mit nationalen und multinationalen politischen, rechtlichen und militärischen Vorgaben für den Einsatz in Afghanistan umfassend zu untersuchen.

(DDP/nbe)
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