Rücktrittsforderungen "Es reicht, Herr Schönbohm"

Potsdam (rpo). Regierungskrise in Brandenburg: Nach seinen Äußerungen zu dem vermutlich rassistischen Übergriff auf einen Deutsch-Äthiopier in Potsdam und einer umstrittenen Rede während einer Gedenkveranstaltung zur Befreiung des Konzentrationslagers Sachsenhausen gerät Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) zunehmend unter Druck. Immer mehr Politiker fordern, er solle zurücktreten.

Rechte Gewalt ist ein Dauerproblem
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Drei Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion forderten am Dienstag den Rücktritt des CDU-Ministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten. Es gebe dazu allerdings keinen Fraktionsbeschluss, sagte der Vorsitzende Günter Baaske in Potsdam und fügte hinzu, Schönbohm habe erhebliche Fehler gemacht und dem Ansehen des Landes geschadet. Baaske forderte deshalb ein Treffen des Koalitionsausschusses.

SPD-Fraktionschef Günter Baaske sagte dazu, der öffentliche Streit zwischen Generalbundesanwalt Kay Nehm und Schönbohm über den mutmaßlich rechtsextremen Hintergrund des brutalen Überfalls vom Ostersonntag auf den Deutsch-Äthiopier sei äußerst schädlich für Brandenburg. Zudem warf er dem Unionspolitiker vor, bei seiner Rede am Wochenende KZ-Insassen brüskiert zu haben. Schönbohm hatte bei der Feier auch der Opfer gedacht, die nach 1945 vom sowjetischen Geheimdienst in Sachsenhausen festgehalten worden waren. Nach Angaben von KZ-Überlebenen befanden sich unter diesen Häftlingen auch viele NS-Täter.

Zu wenig Sorge um schwarze Mitbürger

Auch die Grünen forderten den Rücktritt des brandenburgischen Innenministers. "Es reicht Herr Schönbohm, Sie sind ein Schaden für Brandenburg", sagte Grünen-Vorsitzende Claudia Roth. Sie warf Schönbohm vor, sich "anscheinend mehr Gedanken um das Image seines Bundeslandes vor der Fußballweltmeisterschaft als um die Sicherheit schwarzer Deutscher" zu machen. Es sei zudem eine Schande, dass Schönbohm den Generalbundesanwalt Kay Nehm kritisiere und dass er ehemalige KZ-Häftlinge mit einer "unerträglichen Gleichstellung von Tätern und Opfern provoziert".

CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek hielt dem Regierungspartner SPD im Gegenzug eine gezielte ungerechtfertigte Diffamierung Schönbohms vor. Baaske müsse sich bei Schönbohm entschuldigen. Der Landesvorstand der im Landtag nicht vertretenen Grünen forderte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) auf, Schönbohm zur Raison zu bringen. Platzeck hatte sich seit seinem Hörsturz von Schönbohm vertreten lassen und wird in dieser Woche am Kabinettstisch zurück erwartet. SPD und CDU regieren seit 1999 in Brandenburg gemeinsam.

Ermyas M. kämpft weiter um sein Leben

Auch mehr als eine Woche nach dem Überfall auf einen Deutschen äthiopischer Abstammung in Potsdam schwebt das Opfer weiter in Lebensgefahr. Der Zustand des 37-jährigen Familienvaters habe sich nicht geändert, sagte die Sprecherin des Potsdamer Ernst-von Bergmann-Klinikums, Theresa Decker, am Dienstag. Er könne zwar mittlerweile mit Hilfe einer Beatmungsmaschine eigene Atemzüge machen, liege aber wegen des erlittenen Schädel-Hirn-Traumas weiter im künstlichen Koma.

Der in Äthiopien geborene und seit 19 Jahren in Deutschland lebende Ingenieur war am frühen Ostersonntag vermutlich wegen seiner dunklen Hautfarbe von zwei Männern brutal zusammengeschlagen worden. Zwei Tatverdächtige sitzen seit Freitag in Brandenburger Gefängnissen in Untersuchungshaft, nachdem ein Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof Haftbefehl wegen des Verdachts des versuchten Mordes erlassen hatte. Auf einem Telefonmitschnitt des Angriffes war zu hören, wie die Täter ihr Opfer als "Scheiß Nigger" beschimpft hatten. Die Bundesanwaltschaft geht deshalb von einem fremdenfeindlichen Motiv aus.

(afp2)
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