Interview mit Islam-Experten "Es muss mehr aufgeklärt werden"

Düsseldorf (RPO). Muslime, die sich vom Islam abgewandt haben, treffen im Zentralrat der Ex-Muslime auf Gleichgesinnte. Im Interview erklärt Islam-Experte Faruk Sen, warum dieser Verein gebraucht wird.

Wieviel Muslime finden den Zentralrat der Ex-Muslime skandalös?

Sen: Die meisten Muslime nehmen den Verein gar nicht wahr. Die, die ihn wahrnehmen, halten ihn wohl am ehesten für eine Show-Veranstaltung.

Warum muss sich ein solcher Verein trotzdem bilden, um auf Missstände wie etwa die häusliche Gewalt im Islam aufmerksam zu machen?

Sen: Sich von dieser Gewalt zu distanzieren, ist eigentlich die Aufgabe der islamischen Organisationen. In Deutschland gibt es 2300 Moscheevereine. Sie müssten bei ihrem Freitagsgebet gegen Gewalt predigen. Ich räume ein, das versäumen sie zurzeit in aller Regel.

Also ist ein Verein wie der der Ex-Muslime doch wichtig?

Sen: Nein. Denn er ist eine marginale Gruppe, und die Aufgabe der muslimischen Identität kann kein gangbarer Weg für die Mehrheit der betroffenen Menschen sein. Die Initiative muss aus den islamischen Organisationen heraus kommen.

Wenn der Zentralrat der Ex-Muslime so unbedeutend sein soll: Warum fühlen sich die Mitglieder bedroht?

Sen: Wenn sie wirklich bedroht werden, dann sind es einzelne Idioten und Eiferer, die diese Bedrohungen aussprechen. Das ist schlimm und muss hart bekämpft werden, aber kein Beleg für die gesellschaftspolitische Relevanz der Ex-Muslime.

Wie viel Prozent der Muslime leben streng nach den Regeln des Korans?

Sen: Hier gibt es sehr große Unterschiede in den Altersgruppen. Insgesamt dürfte knapp die Hälfte der Muslime die Regeln ihrer Religion recht ernst nehmen.

Wie könnte der Islam toleranter und weltoffener werden?

Sen: Es muss mehr aufgeklärt werden, und die deutsche Gesellschaft sollte strenger sein. Wenn eine deutsche Richterin Gewalt in der Ehe mit dem Koran rechtfertigt, ist das nicht richtig. Emanzipatorische Ansätze gilt es stattdessen aktiv zu fördern.

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