Bodo Ramelow mit Erfolgschancen in Thüringen Erstmals ein Linker als Ministerpräsident?

Erfurt · Bodo Ramelow könnte 25 Jahre nach dem Mauerfall mit SPD-Hilfe als erster Linken-Politiker Regierungschef eines Bundeslandes werden. Zahlreiche Ost-Sozialdemokraten würden aber lieber beim Bündnis mit der CDU bleiben.

 Bodo Ramelow bei einer Wahlkampfveranstaltung in Erfurt.

Bodo Ramelow bei einer Wahlkampfveranstaltung in Erfurt.

Foto: ap

In Thüringen geht es bekanntlich immer um die Wurst — die berühmte vom Rost. Bei der Landtagswahl am Sonntag geht es um die sprichwörtliche Wurst: Erstmals könnte ein Linkspartei-Bewerber (Bodo Ramelow, 58) Ministerpräsident werden und erstmals die SPD dazu ihre Hand reichen. Das wäre eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik. Selbst die "New York Times" hat ihren Lesern berichtet, dass womöglich ein Vertreter der SED-Nachfolge-Partei ein Vierteljahrhundert nach Mauerfall und Untergang der DDR eine Regierung in Deutschland übernimmt.

Die Anspannung ist groß bei Ramelow und Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU), wie Zuschauer und Zuhörer am vergangenen Montag beim MDR-Talk mit allen Spitzenkandidaten erleben konnten. Lieberknechts Stuhl wackelt. Seit 2009 regiert sie mit der SPD und möchte das weiterhin tun. Aber die SPD-Spitze signalisiert Wechsel-Bereitschaft. Ramelow bezeichnet seine Chance auf das wichtigste politische Amt im Land als "50 zu 50".

Ramelow ist in Rheinhessen aufgewachsen

Ob der in Rheinhessen aufgewachsene Einzelhandelskaufmann und linke Gewerkschafter es im dritten Anlauf an die Spitze des Landes schafft, hängt maßgeblich von der SPD ab. Die wird mit Gewissheit nur drittstärkste Kraft im thüringischen Landtag. Womöglich fehlt aber Rot-Rot die Hilfe der Grünen zum Koalitionsglück.

Viele, die den evangelischen Christen, Hundefreund und stets top-seriös daherkommenden Ramelow kennen, sagen, er sei kein verbohrter Linker. Andere — dazu zählen sorgenvolle Ost-Sozialdemokraten, die unter der SED-Herrschaft gelitten haben, — wenden ein, ihre Partei dürfe sich aus politischem Ehrgefühl keinem Linkspartei-Regierungschef unterordnen.

Einer der Besorgten ist der Unternehmensberater Stefan Sandmann. Bei Veranstaltungen der Linkspartei postierte er sich sichtbar mit seinem Plakat, auf dem zu lesen war: "Achtung Bürger! Die Kommunisten wechseln manchmal den Namen, aber nie ihr Ziel: die Abschaffung unserer Demokratie."

"Angestaubte Rote-Socken-Kampagne"

Ramelow kann über so etwas lächeln. Giftig werden seine verbalen Pfeile, sobald sich Kanzlerin Angela Merkel und ihre thüringische Parteifreundin Lieberknecht dieser "angestaubten Rote-Socken-Kampagne" (Ramelow) anschließen: "Lustig" findet Ramelow so etwas "ausgerechnet bei zwei ehemaligen FDJ-Funktionärinnen". Er jedenfalls wolle keine dumpfen Ideologen an der Macht. Besagte Ost-Sozialdemokraten, die lieber erneut mit der ungeliebten CDU als mit der verachteten Linkspartei koalieren würden, halten Ramelow vor, er dulde zwei ehemalige Stasi-Spitzel unter den ersten zehn Genossen auf der Landesliste. Die beiden mit dem strengen SED-Geruch heißen Ina Leukefeld und Frank Kuschel.

SPD-Spitzenkandidatin Heike Taubert und SPD-Landeschef Christoph Matschie müssen damit rechnen, dass bei einem Koalitionswechsel zur stärkeren Linkspartei nicht wenige der rund 4500 thüringischen Sozialdemokraten ihre Mitgliedsbücher zurückgeben. Die SPD plant vorsorglich einen Mitgliederentscheid zur Koalitionsfrage. Ramelow, der manchmal wie "der Herr Ministerpräsident" auftritt, bekräftigt, er werde "nicht alles anders, aber vieles besser machen" als Lieberknecht. Das war die berühmte Erfolgsformel von Gerhard Schröder aus dem Bundestagswahlkampf 1998. Schröder (SPD) verdrängte damals Helmut Kohl (CDU) von der Kanzlerschaft.

(RP)
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