Duisburg Erste Stadt spart bei Pflege armer Senioren

Düsseldorf (RP). Die Stadt Duisburg will durch eine Neuregelung bei der Finanzierung der Kosten stationärer Pflege pro Jahr 284.000 Euro einsparen. Das sieht eine Maßnahme vor, die der Rat im Zuge des Haushaltssicherungskonzepts beschlossen hat.

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Foto: dapd

Danach werden die Pflegekosten, die eine Durchschnittsgrenze überschreiten, nicht mehr übernommen. Zehn von 53 Pflegeeinrichtungen kommen seit dem 1. Oktober nicht mehr für die Belegung durch Sozialhilfeempfänger in Betracht.

Die Freie Wohlfahrtspflege NRW sieht in dem Vorgehen eine rechtswidrige Beschränkung des verbrieften Wahlrechts pflegebedürftiger Bürger. "Zudem befürchten wir, dass die Heime ihre Standards senken müssen, um das Preisdiktakt der Stadt Duisburg zu erfüllen", kritisierte Andreas Meiwes, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege. Der Verband hat in einem Brief an den Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) eine Klage gegen die Stadt angekündigt.

Meiwes sieht das Duisburger Vorgehen als Präzedenzfall. "Wenn wir dem nicht Einhalt gebieten, werden sich andere Kommunen, die sich wegen ihrer Überschuldung im Haushaltssicherungskonzept befinden, dem Vorgehen anschließen. Alle schauen, was in Duisburg passiert", erklärte Meiwes. Von den 396 Kommunen in NRW können nur 39 einen ausgeglichenen Haushalt nachweisen.

Diakonie befürchtet Preisdruck

Ulrich Christofczik, Leiter des Geschäftsbereichs Pflege bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, warnt, das Duisburger Beispiel könnte Schule machen. Es sei "Preisdruck" zu befürchten, der "zu einem Verlust an Pflegequalität" führe. "Mehr Bewohner werden gezwungen sein, in Doppelzimmern zu leben", befürchtet er.

Die Stadt Duisburg gibt pro Jahr 45,7 Millionen Euro für Pflegekosten aus. Die Vorlage wird seit Oktober umgesetzt. Der Leiter des Sozialamts erklärte, die Qualität der Pflege sei nicht beeinträchtigt.

NRW-Seniorenministerin Barbara Steffens (Grüne) sieht das Vorgehen der Stadt Duisburg kritisch. "Ich möchte, dass Menschen auch bei Eintritt von Pflegebedürftigkeit unabhängig vom Einkommen möglichst selbstbestimmt leben können. Dazu gehört, bei der Suche nach einem Pflegeheimplatz eine Wahl zu haben", so die Ministerin. Die Landesregierung werde die Rechtslage prüfen.

In NRW sind derzeit rund 160 000 Menschen in Pflegeheimen untergebracht. Rund drei Viertel beziehen ergänzende Leistungen über die Sozialhilfe. Der finanzielle Druck in der Pflege wird in Zukunft deutlich steigen: Die Zahl der Pflegebedürftigen wird bundesweit bis 2020 auf 2,9 Millionen Menschen ansteigen.

Im Jahr 2030 werden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 3,4 Millionen und im Jahr 2050 sogar 4,5 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland zu versorgen sein. Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung wird nach Berechnungen des Ökonomen Bernd Raffelhüschen im gleichen Zeitraum von heute 1,95 Prozent (Kinderlose 2,2 Prozent) auf 4,5 Prozent steigen.

(RP)
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