Linke-Parteichefin Erst gefeiert, jetzt heftig kritisiert - Katja Kipping kämpft um ihren Ruf

Der einstige Shooting-Star der Linken strauchelt. Parteichefin Katja Kipping steht wegen ihres Führungsstils in der Kritik. Sie selbst sieht sich als Opfer einer bösartigen Kampagne und wehrt sich - politisch, juristisch und mit parteiinternen Ermittlungen.

 Katja Kipping sieht sich als Opfer einer Kampagne.

Katja Kipping sieht sich als Opfer einer Kampagne.

Foto: dpa, fs fdt

"Komische Oper" heißt das Hinterzimmer eines Restaurants im Berliner Regierungsviertel, in das Katja Kipping ein Dutzend Journalisten kurzfristig zum Gespräch eingeladen hat. "Schmierenkomödie" würde besser zu dem Thema passen, über das die Linke-Chefin an diesem Freitagmorgen reden möchte. Kipping fühlt sich schlecht behandelt, ja sogar angefeindet von einzelnen Medien und von Parteifreunden. "Das lässt mich natürlich nicht kalt", sagt sie. Die Formulierung spiegelt ihren wahren Gemütszustand nur ansatzweise wider.

Kipping sieht sich als Opfer einer Kampagne, eines "Spin", wie sie es nennt. Wer alles dahinter steckt, ist noch nicht ganz klar. Aber medial läuft es nicht gut für die 36-Jährige. "Katja, die Grobe" lautete vor zwei Wochen eine Schlagzeile des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". "Die schmerzhafte Entzauberung der Linke-Chefin" schrieb später die "Welt".

Vor wenigen Wochen wurde Kipping in den Medien noch für die Befriedung ihrer Partei gefeiert, die vor zwei Jahren nach einem erbittertem Machtkampf am Abgrund stand. Auf dem Berliner Parteitag im Mai bestätigten die Delegierten sie und Riexinger mit satten Ergebnissen im Amt. Aber schon wenige Stunden später wendete sich das Blatt.

Viele Delegierte nahmen dem Führungsduo übel, dass es bei der Wahl des Schatzmeisters Partei ergriff - gegen Amtsinhaber Raju Sharma. Der warf Kipping später auf Facebook eine Intrige und eine alles übertreffende "Stil- und Kulturlosigkeit" vor. Kipping begründete ihre Parteinahme mit einem "problematischen Kommunikationsverständnis" Sharmas.

Schwerer wiegt der Vorwurf, Kipping habe sich mit der stellvertretenden Fraktionschefin Sahra Wagenknecht verschworen, um Gregor Gysi möglichst bald die alleinige Fraktionsführung zu nehmen und eine Doppelspitze zu installieren. Kipping dementiert klar und deutlich: Eine Veränderung an der Fraktionsspitze vor dem Ende der laufenden Amtszeit Gysis im Herbst 2015 wäre "politisches Harakiri".

Dann ist da aber noch dieses Papier zu den "personellen No-Gos" in der Bundestagsfraktion, von dem der "Spiegel" behauptet, dass es aus ihrem Vorstandsbüro stammen soll. "Die Fraktion darf nicht zur "Reste-Rampe" der Abgewählten oder Rausgeschmissenen werden", heißt es darin. Drei Vertreter des Reformflügels, die keine Fraktionsposten erhalten sollen, werden namentlich genannt.

Kipping sagt, sie habe von dem Papier erst aus den Medien erfahren. Gegen den "Spiegel"-Bericht hat sie juristische Schritte eingeleitet. Zudem hat sie Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn beauftragt zu ermitteln, woher das Schreiben stammt. Ein Ehrenkodex soll künftig dafür sorgen, dass so etwas nicht wieder passiert.

So ganz überraschend bricht die neue Führungsdebatte nicht über die Linke herein. Zwischen einigen Reformern und Kipping knirscht es schon seit einiger Zeit gewaltig. Vor etwa einem Jahr tauchte ein Liederbuch von Anhängern des Chef-Reformers Dietmar Bartsch mit dem Titel "Bartschismo o muerte (Bartschismus oder Tod) - Lieder für fröhliche Bartschisten" auf.

Darin finden sich hasserfüllte Kampfparolen gegen die Parteivorsitzende zu Melodien von Arbeiterliedern und Popsongs. "Die roten Haare werden wir ihr roden, der Hexe Kipping verweigern wir die Hand", dichteten die anonymen Autoren zum Beispiel. Oder: "Wir tragen die Wahrheit von Haus zu Haus und schmeißen die Kipping zum Fenster raus." Die Lieder sollen auf einem Parteitreffen an Pfingsten 2013 im brandenburgischen Werbellin gesungen worden sein. Bartsch distanzierte sich allerdings entschieden davon.

Die jetzige Debatte erinnert an überwunden geglaubte Zeiten der innerparteilichen Intrigen und Selbstzerstörung. Es herrsche ein "Klima der Angst und der Denunziation", schreibt die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak in einem Beitrag für die Online-Ausgabe des "Cicero". Die Berlinerin steht auf der ominösen No-Go-Liste und legte daraufhin ihr Amt als stellvertretende Parlamentarische Geschäftsführerin nieder.

Für Kipping sind es wohl die bisher schwersten Tage ihrer politischen Karriere, in der es lange Zeit nur steil bergauf ging. Nach anfänglichem Schweigen zu den Vorwürfen kämpft sie nun um ihren Ruf - und hofft auf ein glimpfliches Ende der Debatte. "Vielleicht sind die Angriffe auf mich ja Geburtswehen für etwas Neues, worin ja auch eine Chance läge", sagt sie.

(dpa)
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