Parteitag der Linken Ernst warnt vor Zerfallserscheinungen

Göttingen · Linke-Chef Klaus Ernst hat vehement vor einem Auseinanderbrechen der Partei als Folge der internen Machtkämpfen gewarnt. Am Samstagabend soll die neue Doppelspitze der Linken gewählt werden. Gleich zehn Kandidaten bewerben sich. Die Partei droht in Ost und West auseinanderzubrechen.

Die bekanntesten Kandidaten für den Linken-Vorsitz
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Viel Applaus und auch Tränen zum Abschied: Die Linke hat drei scheidenden Vorstandsmitgliedern für ihre Arbeit gedankt. Gesine Lötzsch war im April aus persönlichen Gründen als Parteichefin zurückgetreten. Auch Co-Chef Klaus Ernst und Bundesgeschäftsführer Werner Dreibus werden dem neuen Vorstand, der am Samstag gewählt werden sollte, wohl nicht mehr angehören, wobei Ernst sich noch nicht offiziell zu seinen Plänen geäußert hat. Stattdessen warnte er vor dem Zerfall der Partei.

"Wenn wir scheitern, müssten wir uns schämen", sagte Ernst am Samstag auf dem Göttinger Parteitag vor 550 Delegierten. Eine Spaltung sei Wahlbetrug: "Den dürfen wir uns keinesfalls leisten." Man habe den Wählern versprochen, zusammenzubleiben. Zugleich räumte Ernst eine Mitschuld am schlechten Zustand seiner Partei ein. Am Abend sollte eine neue Doppelspitze gewählt werden. Gleich zehn Kandidaten bewerben sich.

Ernst sagte in seiner rund 45-minütigen Abschiedsrede als Vorsitzender: "Die Führung hat Fehler gemacht, auch ich habe Fehler gemacht." Es sei nicht gelungen, die Zentrifugalkräfte durch ein starkes Zentrum zu organisieren. "Wir driften auseinander." Seit 2009 habe die Partei Tausende Mitglieder verloren. "Wir haben Zerfallserscheinungen in unserer Partei", konstatierte er. Da gebe es nichts zu beschönigen. Die Zukunft der Partei liege aber nur im Zusammenbleiben. Die Linke sei notwendiger denn je und deswegen schmerze ihn der Zustand der Partei.

Lafontaine soll weiter helfen

Ausdrücklich lobte Ernst den ehemaligen Parteichef Oskar Lafontaine für dessen Solidarität mit der Spitze. Er habe sich sehr über die Bereitschaft Lafontaines für eine erneute Kandidatur für den Vorsitz gefreut, die der Saarländer später abgesagt hatte. Ernst fragte die Delegierten, ob etwa jemand der Meinung sei, "dass uns der Rückzug von Oskar stärker macht". Er hoffe, dass Lafontaine die Linke auch künftig unterstütze, "denn wir brauchen dich nach wie vor, wenn wir Wahlen gewinnen wollen", sagte Ernst unter großem Beifall.

Auch die Zusammenarbeit mit seiner Ko-Parteichefin Gesine Lötzsch, die vor wenigen Wochen aus persönlichen Gründen zurückgetreten war, bezeichnete er als gut und "absolut loyal". Am Ende seiner Rede erhielt Ernst minutenlange stehende Ovationen der Delegierten.

Gysi und Lafontaine gemeinsam auf der Bühne

Für die Dankesworte traten Fraktionschef Gregor Gysi und Linke-Gründungsvater Oskar Lafontaine gemeinsam auf die Bühne. Zu Lötzsch sagte Gysi, jeder mache Fehler - aber auch die eigenen Leute seien nicht immer solidarisch mit ihr umgegangen. Zu Ernst bemerkte Gysi: "Er ist ein Freund von mir. Ich habe mich am meisten mit ihm gestritten. Dass man beides kann, das geht - finde ich - schwer in Ordnung. Das müssen wir unserer Partei unbedingt zeigen."

Lafontaine dankte Ernst für dessen Anteil am Entstehen der Linken.
Wenn Ernst mit anderen nicht die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) gegründet hätte, wäre diese Partei gar nicht entstanden, meinte er. Ernst war wiederholt wegen seines gehobenen Lebensstils kritisiert worden. Darauf anspielend meinte Lafontaine: "Der Sozialismus ist nicht ein Lehre der hängenden Mundwinkel, der Sozialismus ist eine Lehre der Lebensfreude."

Kipping und Schwabedissen wollen Führungsteam bilden

Für die Wahl der Parteivorsitzenden gibt es bislang zehn Kandidaten. Laut Satzung wird die Linke von einer Doppelspitze geführt, die mindestens zur Hälfte weiblich besetzt werden muss. Zunächst gibt es einen Wahlgang nur für Frauen. In der zweiten Runde dürfen Männer und Frauen antreten. Eine Kandidatur ist noch bis zum Start der Wahl (19.30 Uhr geplant) möglich.

Bundesvize Katja Kipping und die nordrhein-westfälische Landessprecherin Katharina Schwabedissen wollen ein weibliches Team bilden. Neben ihnen werden auch der Hamburger Fraktionschefin Dora Heyenn gute Chancen eingeräumt. Bei den Männern gelten Fraktionsvize Dietmar Bartsch und der baden-württembergische Landessprecher Bernd Riexinger als aussichtsreiche Kandidaten. Parteiintern wird auch eine Überraschungskandidatur von Partei- und Fraktionsvize Sahra Wagenknecht noch für möglich gehalten.

Eindeutiges Nein von SPD-Chef Gabriel

Unabhängig von der künftigen Führung lehnt der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel die Zusammenarbeit mit der Linken ab. "Die Linken sind eine in sich zerrissene, zutiefst gespaltene Partei, deren innere Widersprüche durch den Abgang von Lafontaine nicht beseitigt sind", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Focus". "Auf Bundesebene sind und bleiben die Linken für die SPD keine Option."

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erwartet sogar eine Auflösung der Linken. "Das Projekt einer bundesweiten Partei links neben der SPD ist gescheitert", sagte er der Zeitung "Bild am Sonntag" laut Vorabbericht.

(APD)
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