Vorhaben der Ampel-Koalition in der Kritik Erhebliche rechtliche Zweifel am geplanten Sicherheitspaket

Berlin · Die Bundesregierung hat nach dem Solinger Anschlag im Eiltempo ein Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, das sogenannte Sicherheitspaket. Doch Experten haben rechtliche Bedenken. Nun soll nachgebessert werden.

Die Bundesregierung - hier vertreten durch Bundeskanzler Olaf Scholz, Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) - hatte das sogenannte Sicherheitspaket im Eiltempo beschlossen.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Es sollte schnell gehen mit dem Sicherheitspaket. Unter dem Eindruck des mutmaßlich islamistischen Messerattentats in Solingen mit drei Toten einigte sich die Bundesregierung im Eiltempo auf dieses Gesetzespaket, das drei Kernbereiche umfasst: eine Verschärfung des Waffenrechts, härtere Maßnahmen gegen gewaltbereiten Islamismus und Änderungen des Aufenthaltsrechts. Doch es gibt erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, wie eine Anhörung von Experten im Innenausschuss des Bundestags am Montag zeigte.

Innerhalb der Ampel-Koalition hält man nun mögliche Änderungen am Sicherheitspaket für nötig, um ein rechtssicheres Maßnahmenbündel auf den Weg bringen zu können. Die Union war bestrebt, es nach „Uneinigkeit“ und „Streit in der Koalition“ aussehen zu lassen, wie Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) schon am Dienstag mutmaßte. Die Aussagen aus Ampel-Reihen deuten jedoch nicht auf einen echten Streit hin, sondern viel mehr auf weiteren Abstimmungsbedarf.

Der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz betonte dann auch den Willen, an diesem Vorhaben festzuhalten. „Es ist völlig klar, dass wir ein Sicherheitspaket verabschieden wollen. Es ist genauso selbstverständlich, dass wir nur Gesetze verabschieden, die verfassungskonform sind und nicht einen Tag später in Karlsruhe aufgehoben werden“, sagte von Notz unserer Redaktion. Die Anhörung von Sachverständigen am vergangenen Montag habe aber gezeigt, dass es „sehr viele offene Fragen“ gebe. „Die müssen wir jetzt schnell und zügig klären“, betonte der Grünen-Fraktionsvize.

Es gibt einen weiteren Aspekt, der den Zeitplan für das parlamentarische Verfahren zum Sicherheitspaket beeinflussen könnte. Denn das Bundesverfassungsgericht will am 1. Oktober sein Urteil zu einer Verfassungsbeschwerde gegen das Bundeskriminalamtgesetz verkünden. „Das kann auf dieses Gesetzespaket ausstrahlen“, sagte von Notz mit Blick auf das Sicherheitspaket. „Seriöserweise muss man auch das berücksichtigen.“

Hintergrund des erwarteten Karlsruher Urteils ist eine Klage der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) gegen verschiedene Regelungen des 2017 geänderten BKA-Gesetzes. Die GFF sieht durch die Befugnisse der Sicherheitsbehörden ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt – und fordert konkrete verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Sammeln und Speichern von Daten. Konkret kritisiert die GFF unter anderem Regelungen, die das Bundeskriminalamt etwa ermächtigen, Kontaktpersonen von Verdächtigen heimlich zu überwachen.

Grünen-Innenexperte von Notz betonte dennoch: „Wir haben eine virulente Gefahrenlage im Bereich des Islamismus. Deswegen sind wir gewillt, hier zügig zu guten Ergebnissen zu kommen.“

Bei der Anhörung am Montag waren vielfältige Zweifel unterschiedlicher Experten am Sicherheitspaket geäußert worden. So wurde etwa vom Deutschen Städte- und Gemeindebund in Frage gestellt, ob die Inhalte des Sicherheitspakets tatsächlich die objektive Sicherheit in Deutschland effektiv erhöhten. Vielmehr bedürfe es relevanter Reformen bei den Zuständigkeiten und Kompetenzen aller Beteiligten.

Der Jurist Stephan Schindler von der Universität Kassel, spezialisiert unter anderem auf Videoüberwachung und Gesichtserkennung, sieht die Gefahr von erheblichen Grundrechtseinschnitten durch die im Sicherheitspaket vorgesehene Gesichtserkennung. So soll zur Identifizierung von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen der Abgleich von öffentlich zugänglichen Internetdaten mit Fotos der betreffenden Personen möglich werden.

Und die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Louisa Specht-Riemenschneider, mahnte bei der Anhörung an, es müssten die Grundrechte aller betroffenen Personen gewahrt bleiben. Ermächtigungsgründe für grundrechtsintensive Maßnahmen dürften nicht übereilt geschaffen werden.

(jwo/dpa)