Grünen-Abgeordneter erhebt schwere Vorwürfe Erhalten Privatversicherte eher Organe?

Frankfurt/Main · Entgegen den Beteuerungen von Ärzten und Bundesregierung werden Privatversicherte bei der Vergabe von Spenderorganen womöglich doch bevorzugt. Nach Berechnungen des Grünen-Gesundheitsexperten Harald Terpe liegt der Anteil der Privatversicherten an allen Transplantationen höher als ihr Anteil auf der Warteliste, so ein Medienbericht.

Zuletzt seien 9,7 Prozent der auf eine Leber wartenden Patienten privat versichert gewesen. Der Anteil der Privatversicherten an allen Patienten, die 2011 eine neue Leber bekamen, habe aber 13,1 Prozent betragen, berichtet die "Frankfurter Rundschau" am Dienstag.

Ähnliche Unterschiede gibt es den Berechnungen des Grünen-Politikers zufolge bei Herzen: Auf der Warteliste stehen 9,5 Prozent Privatversicherte, ihr Anteil bei den transplantierten Organen liegt bei elf Prozent. Bei Lungen-Transplantationen stehen 6,9 Prozent Privatversicherte auf der Warteliste, 9,5 Prozent Privatversicherte erhielten eine Transplantation.

Beschleunigtes Verfahren

Einen höheren Anteil von Privatversicherten entdeckte Terpe dem Bericht zufolge auch beim sogenannten beschleunigten Verfahren, bei dem die Transplantationszentren unabhängig von der Warteliste selbst Patienten auswählen dürfen, die ein neues Organ bekommen. Terpe forderte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) auf, die Auffälligkeiten aufzuklären: "Die Menschen müssen dem Organspende-System vertrauen können und das Gefühl haben, dass es gerecht zugeht", sagte er der "Frankfurter Rundschau".

Die Transplantationsmedizin in Deutschland war wegen des Verdachts der Manipulation bei der Zuteilung von Organen an Patienten in den Unikliniken in Göttingen und Regensburg in die Kritik geraten.

Gegen einen zu den jeweiligen Zeiträumen an den Kliniken arbeitenden Arzt laufen derzeit strafrechtliche Ermittlungen. Als Konsequenz daraus sollen die Kontrollen bei den Organtransplantationen in Deutschland intensiviert werden. Unter anderem sollen die Wartelisten künftig von mindestens drei Personen geführt werden.

Ministerium wehrt sich gegen Vorwürfe

Das Bundesgesundheitsministerium wies die Vorwürfe am Abend zurück. Ein Ministeriumssprecher sagte am Dienstag auf dapd-Anfrage, die Gesetzeslage sei klar: "Bei der Vermittlung von Spenderorganen spielt der Versichertenstatus keine Rolle." Deutschland sei nach Angaben der für die Organverteilung zuständigen Stiftung Eurotransplant im Übrigen das einzige Land im Organspendeverbund, in dem der Versichertenstatus nachträglich erhoben werde, fügte der Sprecher hinzu. Die Entscheidung zur Organzuteilung finde "daher ohne Berücksichtigung des Versichertenstatus statt." Er mahnte, das Thema Organspende sei "zu sensibel, um mit unverantwortlichen Spekulationen weiter Stimmung zu machen".

Das Ministerium reagierte auf Berechnungen des Grünen-Gesundheitsexperten Harald Terpe. Demnach war der Anteil der Privatversicherten an Transplantationen von Spenderorganen höher als ihr Anteil auf der Warteliste.

(AFP/dapd)
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