Ampel-Gipfel bleibt vorerst ohne Ergebnisse Marathon-Koalitionsausschuss geht in die Verlängerung
Berlin · Endlich sollte der Knoten platzen - doch am Ende kommt man nicht zu Potte. Statt Durchbrüchen nach langem Streit hat das Ampel-Bündnis nach nächtlichen Gesprächen nichts vorzuweisen. Die Hängepartie zieht sich bis in den Dienstag. Dennoch verbreitet der Kanzler Optimismus.
Ob jemand geschlafen hätte, wird der Regierungssprecher nach fast 20 Stunden Marathonverhandlungen gefragt. „Mir sind keine Übernachtungsmöglichkeiten im Kanzleramt bekannt“, sagt Steffen Hebestreit in der Regierungspressekonferenz am Montag. Allerdings könne es sein, „dass sich mal jemand auf einen Sessel zurückgezogen hat“.
Diejenigen, die am Montagmittag während des noch laufenden Koalitionsausschusses an die Öffentlichkeit gehen, sehen nicht so aus als hätten sie von den Sesseln Gebrauch gemacht. Müde Gesichter, keine Informationen in der Sache. Bei der SPD verhandelt statt der erkrankten SPD-Chefin Saskia Esken Generalsekretär Kevin Kühnert gemeinsam mit dem SPD-Chef Lars Klingbeil, Fraktionschef Rolf Mützenich und Kanzler Olaf Scholz. Bei der FDP ist Parteichef und Finanzminister Christian Lindner tonangebend. Er twittert aus den Verhandlungen kryptisch: „Ideenreichtum, Schlafmangel - Koalitionsausschuss“.
Man muss lange zurückdenken, um sich eine ähnlich lange Nachtsitzung in Erinnerung zu rufen. Es hat in den vergangenen Tagen eine Menge Rede- und Diskussionsbedarf gegeben, viel Streit hat sich angestaut in der Ampel-Koalition. So viel, dass die Sitzung von 18.30 Uhr am Sonntagabend bis Montagnachmittag nicht reicht, um zu verkündbaren Einigungen zu kommen.
Dabei gibt sich Hebestreit vor der Hauptstadtpresse noch zuversichtlich und sagt, ein Ende der Beratungen sei absehbar. Es werde auch ein gutes Ergebnis geben. „Die Regierung läuft und funktioniert“, so Hebestreit. Aber weil die Regierungskonsultationen in den Niederlanden nicht warten können und einige Minister, die bei den Verhandlungen dabei sind, mitreisen müssen, wird der Koalitionsausschuss kurz darauf unterbrochen. An diesem Dienstag soll es weitergehen. Die Pause kommt einigen Teilnehmern gelegen, kurz durchzuschnaufen.
In Rotterdam angekommen, gibt ein müder Kanzler am Montagnachmittag nur so viel bekannt: „Wir haben in den Beratungen sehr sehr gute Fortschritte erzielt, viele, viele Verständigungen begonnen und setzen diese morgen fort.“ Man wisse, dass es viele Jahrzehnte gegeben habe, in denen es zu langsam vorangegangen sei. Das müsse und das werde sich ändern, so Scholz. Der Kanzler spricht von „sehr vertraulichen, sehr freundlichen“ Gesprächen. Und tatsächlich: Nach draußen drang am Sonntag und Montag nichts aus dem Koalitionsausschuss.
Ziel bleibt es nun, sich in der Runde der Ampel-Spitzen auf eine gemeinsame Position in wichtigen Streitfragen zu verständigen. Dazu zählen die Zukunft des Autobahnbaus, der Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen und die Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung.
Monatelang hatte die Koalition gestritten ob nur Bahnstrecken und Brücken schneller gebaut werden sollen oder auch Autobahnen. Letzteres wollte die FDP. Ihr Argument: Der Güterverkehr auf der Straße werde deutlich zunehmen, Staus müssten verhindert werden. Die Grünen lehnten einen schnelleren Ausbau von Autobahnen kategorisch ab. Sie forderten stattdessen, die bundeseigene Bahn deutlich zu stärken.
Die Grünen wollten vor allem Anstrengungen für mehr Klimaschutz im Verkehr und hatten Druck auf Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gemacht. Er schulde seit vielen Monaten ein Sofortprogramm mit ausreichend Maßnahmen, die den CO2-Ausstoß im Verkehr dauerhaft senkten. Die FDP lehnt Vorschläge wie ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen und den Abbau bestimmter Subventionen bislang aber kategorisch ab. Stattdessen pocht sie darauf, dass in der EU auch nach 2035 noch Verbrenner zugelassen werden dürfen, die mit Ökostrom erzeugte künstliche Kraftstoffe tanken.
In den vergangenen Wochen war der Ton in der Koalition deutlich rauer geworden. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hatte sogar einen Vertrauensbruch moniert, weil ein Gesetzentwurf zum Austausch von Öl- und Gasheizungen aus seinem Haus an die Medien durchgestochen wurde.
FDP-Politiker mahnten vor dem Koalitionsausschuss wiederholt Disziplin beim Geldausgeben an - vor allem mit Blick auf den nun ausstehenden Bundeshaushalt für 2024. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte vor dem Gipfel: „Alle Koalitionsparteien müssen die aktuellen finanzpolitischen Realitäten anerkennen. Dazu zählt die Einhaltung der Schuldenbremse und eine Priorisierung der Staatsausgaben.“ Für die Opposition sind die Verhandlungen der Koalition ein geeigneter Angriffspunkt. An Häme mangelte es am Montag nicht angesichts der unterbrochenen Marathonsitzung, die nun in die Verlängerung geht.