Brisantes Thema auch in NRW Wenn der Staat enteignet

Düsseldorf · Der Begriff Enteignung hat im Moment Hochkonjunktur. Wo die einen den Sozialismus über Deutschland hereinbrechen sehen, mahnen andere, dass es angesichts der Wohnungsnot keine Denkverbote geben dürfe – dabei kommen Enteignungen immer mal wieder vor.

 Auch in Köln demonstrierten zahlreiche Menschen beim Protesttag gegen steigende Mieten.

Auch in Köln demonstrierten zahlreiche Menschen beim Protesttag gegen steigende Mieten.

Foto: dpa/Roberto Pfeil

Ein Beispiel sind etwa Enteignungen für den Bau der CO-Pipeline der Bayer AG von Dormagen nach Krefeld-Uerdingen: Der Bau der Kohlenmonoxid-Leitung, die rechtsrheinisch durch die Orte Monheim, Langenfeld, Hilden, Erkrath, Düsseldorf und Duisburg läuft, wurde durch ein Gesetz ermöglicht, das teilweise die Enteignung von Eigentum mit einschließt.

Nach Angaben der Bezirksregierung Düsseldorf ruhen die Enteignungsanträge im Moment, weil der Planfeststellungsbeschluss für die Kohlenmonoxid-Leitung derzeit vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster beklagt wird. Wenn ein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluss vorliegt, werden diese Anträge aufgenommen und die Enteignungsverfahren beginnen. Angaben darüber, wie viele viele Grundstückseigentümer davon betroffen wären, konnte die Bezirksregierung nicht machen.

Ein anderes Beispiel, die West LB: Seit 2012 ist Deutschlands einst größte Landesbank Geschichte. Nach Milliardenlasten aus der Finanzkrise wurde die Bank abgewickelt, nachdem es nicht gelungen war, die Auflagen der EU-Kommission zu erfüllen. Politische Beobachter sehen darin eine Defacto-Enteignung, weil die damaligen Eigentümer – die Landschaftsverbände in Rheinland und Westfalen, der Rheinische Sparkassen- und Giroverband, der Sparkassenverband Westfalen-Lippe und das Land Nordrhein-Westfalen – ihr Eigentum abgeben mussten. Rechtsnachfolgerin der West LB ist die Portigon AG, an der das Land Nordrhein-Westfalen und die NRW Bank beteiligt sind.

Ein Gegenbeispiel:Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2013 die Verfassungswidrigkeit einer Enteignung im Zusammenhang mit dem „Braunkohletagebau Garzweiler“, einem ein Braunkohle-Tagebau der RWE Power im nördlichen Rheinischen Braunkohlerevier, festgestellt. Es hat zur Begründung im Wesentlichen einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angenommen. Die Abwägung zwischen den privaten Interessen des Eigentümers und dem mit der Enteignung verfolgten Zweck sei nicht ordnungsgemäß vorgenommen worden.

Das Justizministerium NRW erklärt Enteignungen als die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver durch Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben.

Der Artikel 14 im Grundgesetz sagt:

  1. Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
  2. Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
  3. Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

In diesem Sinne ist eine Enteignung gesetzlich – unter Beachtung der strengen verfassungsgesetzlichen Zulässigkeitskriterien – unter anderem in den Bereichen Baurecht, Fernstraßenrecht, Luftverkehrsrecht, Eisenbahnrecht, Energiewirtschaftsrecht und Landbeschaffungsrecht möglich.

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