Energie-Krise Bayerns Angst vor dem Gasmangel

Haidach/München · Vom österreichischen Haidach aus werden vor allem Privatkunden und die Wirtschaft im Freistaat versorgt. Haidach ist der europaweit zweitgrößte Gasspeicher überhaupt. Doch jetzt will Wien sich selbst aus dem Depot bedienen.

 Der Gasspeicher Haidach nahe Salzburg ist bislang nur ans deutsche Netz angeschlossen.

Der Gasspeicher Haidach nahe Salzburg ist bislang nur ans deutsche Netz angeschlossen.

Foto: AFP/BARBARA GINDL

Diese Aussage löste in Bayern die Alarmsirenen aus: Österreich werde, so teilte die grüne Energieministerin Leonore Gewessler in einem Interview mit, all seine Gasspeicher auf österreichischem Gebiet an sein Netz anschließen – auch den in Haidach bei Salzburg. Dieser stellt ein bislang wenig beachtetes Kuriosum dar, denn er ist gegenwärtig nur ans deutsche Gasnetz angeschlossen und für den deutschen Markt bestimmt, auch wenn er in Österreich liegt.

Von Haidach aus werden vor allem bayerische Privatkunden und die Wirtschaft im Freistaat versorgt, es ist der europaweit zweitgrößte Gasspeicher überhaupt, der 2,9 Milliarden Kubikmeter fassen kann. Das Problem: Er gehört mehrheitlich dem russischen Gazprom-Konzern. Und er ist weitgehend leer, Russland füllt nicht auf. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) reagierte am Montag im Bayerischen Rundfunk (BR) erst einmal gelassen: Dass auch Österreich Zugriff auf den Speicher haben wolle, sei verständlich. Europaweit säßen bei der Gasversorgung alle in einem Boot und müssten sich unterstützen.

So klingt das nicht immer vonseiten der bayerischen Staatsregierung. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) äußert immer wieder die Befürchtung, Bayern könne in der Energie­krise vom Bund und der Ampelkoalition benachteiligt werden. „Wenn die bayerische Wirtschaft ein Problem bekommt“, so Söder, „dann hat Deutschland ein Problem.“ Schwer zu sagen, was davon berechtigte Kritik und was vorgezogener Landtagswahlkampf ist. Für Söder geht es im Herbst 2023 um seine politische Existenz. Seine Erzählung, an der er immer weiter schreibt, lautet: Berlin ignoriert Bayern, in der Ampel-Regierung hat Bayern keinen Platz und keine Fürsprecher.

Detlef Fischer vom Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft hält die Lage nicht für ganz so dramatisch. Im Gespräch mit unserer Redaktion äußert er die Hoffnung, „dass die Gasspeicher ordentlich gefüllt werden“. Er hält die Stromknappheit für das größere Problem und erwartet eine „Strom-Mangellage im Winter“. Bayern ist vorrangig von dem Problem betroffen, dass die großen Stromtrassen von Nord nach Süd noch nicht existieren. In ihnen soll Windstrom vom Norden und Strom aus ostdeutschen Kohlekraftwerken gen Süden transportiert werden. Läuft es also schlecht, kommt von Norden zu wenig Strom, und im Osten in Haidach zapft sich Österreich das für den Freistaat bestimmte Gas ab, weil es selbst zu wenig hat. Wahrscheinlich ist, dass in der Krise die europäische Solidarität nebensächlich wird und jeder auf sich selbst schaut. Markus Söder macht dies mit Sprüchen wie „Bayern first“ selbst vor. 

Es muss getrennt werden zwischen längerfristiger Energiepolitik und kurzfristigem Handeln mit Blick auf den Winter. Die bayerische Opposition drischt schon lange auf die Staatsregierung ein, bei den regenerativen Energien geschlafen und den Ausbau von Windkraft mit der 10-H-Abstandsregel faktisch abgeschafft zu haben. Jetzt verlangt der SPD-Landtagsfraktionsvorsitzende Florian von Brunn „5000 und nicht nur 500 neue Windräder“.

Für das Abwenden der aktuellen Krise hilft das wenig. „Dafür kann man jetzt nicht kurzfristig die erneuerbaren Energien ausbauen“, sagt Detlef Fischer. Er verlangt, jetzt alle schnellen Möglichkeiten auszunutzen, um mehr Strom produzieren zu können. Dazu zählen für ihn mehr  Kohleverstromung sowie das Aufrechterhalten des Betriebs der Kernkraftwerke.

Auch die bayerische Staatsregierung will den Meiler Isar 2 bei Landshut länger laufen lassen, er soll zum Jahresende eigentlich vom Netz gehen. Hubert Aiwanger fordert zudem, das Ende vergangenen Jahres abgeschaltete Atomkraftwerk in Gundremmingen wieder hochzufahren. Die Strom-Not ist offenkundig groß, selbst die Münchner Grünen und die SPD wollen Isar 2 vorläufig aufrechterhalten.

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