Große Nachfrage Endspurt 2004: Amnestie für Steuersünder boomt

München (rpo). Viele Deutsche bringen ihr Geld zurück ins Land, denn: Die Amnestie für reuige Steuersünder bei der Offenlegung von Schwarzgeldvermögen im Ausland zeigt zum Jahresende offenbar doch noch deutliche Wirkung. Wie der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser am Mittwoch in München erklärte, sei die Zahl der entsprechenden Erklärungen bei den Finanzämtern kurz vor Ablauf der Frist für den vergünstigten Steuersatz unerwartet stark angestiegen. "Es ist eine heftige Nachfrage", sagte der Minister.

Ob allerdings die Schätzungen des Bundes noch erreicht werden könnten, "ist eine andere Frage", sagte der CSU-Politiker. Ursprünglich hatte Bundesfinanzmister Hans Eichel Mehreinnahmen von fünf Milliarden Euro erwartet, die später auf 1,5 Milliarden herunter korrigiert wurden. Bis Ende Oktober brachte der Straferlass jedoch nur 378 Millionen Euro.

Die steigende Nachfrage zum Jahresende ergibt sich nach Ansicht von Faltlhauser daraus, dass nur diejenigen, die bis 31. Dezember 2004 die strafbefreiende Erklärung beim zuständigen Finanzamt einreichen, einen Steuersatz von 25 Prozent erhalten können. Zwar ist eine strafbefreiende Erklärung dem Gesetz zufolge noch bis zum 31. März 2005 möglich, allerdings beläuft sich der Steuersatz dann auf 35 Prozent.

Faltlhauser und sein rheinland-pfälzischer Amtskollege Gernot Mittler (SPD) forderten bei einem Treffen in München angesichts eines immensen Schaden durch den wachsenden Umsatzsteuerbetrug einen grundlegenden Systemwechsel bei der Erhebung dieser Steuer. Jährlich gebe es durch Betrug und Hinterziehung einen Steuerausfall von 18 Milliarden Euro, was über elf Prozent des gesamten Umsatzsteueraufkommens entspreche, erklärte Mittler. Dies sei mehr als sein Landeshaushalt, fügte der SPD-Politiker hinzu.

Die Länderfinanzkonferenz und der Bund lassen derzeit von einer Münchner Wirtschaftsprüfer Kanzlei in Zusammenarbeit mit den Finanzbehörden und der Universität Augsburg in einem Planspiel ein neues Modell der Umsatzsteuererhebung testen.

Dabei müsste nicht mehr jedes Unternehmen die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen, um sich später die entsprechende Vorsteuer erstatten zu lassen. Stattdessen wird die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger des Unternehmens verlagert, der dann die tatsächlich anfallende Umsatzsteuer abführt. Für den nicht vorsteuerabzugsberechtigten Endverbraucher würde sich bei diesem so genannten "Reverse-Charge-Verfahren" nichts bei der Mehrwertsteuer ändern.

Betrug macht zwei Prozentpunkte Mehrwertsteuer aus

Mit dem Planspiel soll bis Mitte 2005 herausgefunden werden, ob dieses Modell nicht nur in der Theorie weniger anfällig für Betrug als die gegenwärtige Regelung sei, erklärte Faltlhauser. Zudem könnten dadurch möglicherweise die Steuerausfälle bei den jährlich 40.000 Firmenpleiten reduziert werden: "In jedem einzelnen Insolvenzfall ist der Fiskus der große Verlierer", sagte Faltlhauser.

Ein wirklicher Systemwechsel könnte jedoch nur auf EU-Ebene erfolgen, weshalb das Planspiel europaweite Bedeutung habe. Eine vollständige Eindämmung des Vorsteuerbetrugs würde so viel bringen, wie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte oder fünf Mal so viel wie die heftig umstrittene Erbschaftssteuer, erklärten die beiden Länderminister.

(ap)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort