Wohin mit dem Atommüll? Was hinter der Verzögerung bei der Suche nach einem Endlager steckt
Berlin · Mit dem Atomausstieg ist es nicht vorbei. Es fehlt immer noch ein Ort, an dem der hochradioaktive Müll gelagert werden soll, der in Jahrzehnten angefallen ist. Die Suche könnte noch sehr lange dauern. Doch was bedeutet das?
Die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll in Deutschland könnte einem Gutachten des Freiburger Öko-Instituts zufolge mehr als 40 Jahre länger dauern als ursprünglich geplant. Das geht aus einem Papier im Auftrag des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) hervor. Unter idealen Bedingungen sei mit einer Standortentscheidung frühestens im Jahr 2074 zu rechnen, heißt es darin. Das Ministerium rechnet mit einem früheren Termin. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen, was daraus folgt.
Was ist der Grund für die Verzögerung?
MIt Blick auf das Freiburger Gutachten teilte das zuständige Bundesumweltministerium am Donnerstag mit, dass schon länger mit einer Verzögerung zu rechnen sei. „Das – anzustrebende, nicht zwingend einzuhaltende – Zieljahr 2031 hatte der Gesetzgeber im Jahr 2017 nicht aufgrund einer zeitlichen Abschätzung vorgegeben, sondern um das Verfahren mit einem ambitionierten Zieljahr schnell in Gang zu bringen“, hieß es vom Ministerium. In der Mitteilung wird darauf verwiesen, dass seit fast zwei Jahren bekannt ist, dass 2031 nicht zu halten sein wird. Die BGE hatte 2022 einen Zeitkorridor für die Standortfindung von 2046 bis 2068 genannt.
Warum ist das Verfahren so kompliziert?
Für das geplante Endlager für hochradioaktiven Atommüll gelten strenge Regeln. Für einen Zeitraum von einer Million Jahre sollen Mensch und Umwelt bestmöglich vor Gefahren durch radioaktive Strahlung geschützt werden. Das macht die Suche nach einem geeigneten Standort komplex. Hinzu kommt, dass niemand ein Endlager in seiner Nähe haben will. Politisch ist das Verfahren daher brisant.
Wie weit ist die Suche fortgeschritten?
In einem Standortauswahlgesetz wurde ein mehrstufiges, langfristiges Suchverfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit festgelegt. Ausgegangen wird dabei laut BASE von einer „weißen Landkarte“, die alle Bundesländer einbezieht. In den Blick genommen wird bei der Suche neben den Gesteinsschichten unter anderem auch die Erdbebengefahr.
Welche Bundesländer und Regionen kommen noch in Betracht?
Bislang hat die BGE 90 Teilgebiete benannt, die weiter untersucht werden sollen. Sie umfassen allerdings immerhin noch etwa 54 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands. Darunter sind 74 – oft kleinere – Salzstöcke, neun Ton- und sieben Kristallformationen. Betroffen sind alle Bundesländer mit Ausnahme des Saarlandes. Der früher favorisierte Salzstock Gorleben wurde im Rahmen des Auswahlverfahrens als ungeeignet ausgeschlossen.
Was sind die nächsten Schritte?
Als nächstes wird die BGE Ende 2027 mehrere Standortregionen vorschlagen, die in die nähere Auswahl kommen, hieß es vom zuständigen Bundesumweltministerium. Das Ziel des Ressorts von Steffi Lemke (Grüne) ist nun auch eine Beschleunigung des Verfahrens. „Dies ist der richtige Zeitpunkt, umfassendere weitere Beschleunigung transparent zu diskutieren und zu regeln“, teilte das Haus mit. Angesichts des Gutachtens sagte ein Sprecher: In dem dazu laufenden Verfahren seien bereits „Optimierungen“ gefordert und dazu Gespräche aufgenommen worden. „Hier wurden bereits Fortschritte erzielt, die in der Studie noch nicht berücksichtigt werden konnten“, sagte er weiter.
Um wie viel Müll geht es?
Derzeit lagert der hochradioaktive Müll aus den inzwischen stillgelegten deutschen Atomkraftwerken in mehr als 1000 Castor-Behältern in Zwischenlagern an verschiedenen Orten in Deutschland. Für die Standorte Ahaus und Gorleben laufen die Genehmigungen dafür dem Bericht zufolge bereits 2034 aus, für andere Lager in den 2040ern. Die Behälter seien zudem nicht für eine derart lange Nutzung in Zwischenlagern konzipiert.
Halten die Zwischenlager überhaupt so lange, bis das Endlager fertig ist?
Ein Austausch der Behälter sei nicht erforderlich, heißt es vom Umweltministerium. Die für die trockene Zwischenlagerung verwendeten Behälter seien auch über vierzig Jahre hinaus geeignet, das radioaktive Material sicher einzuschließen und abzuschirmen. „Nach bisherigen Kenntnissen kann davon ausgegangen werden, dass eine sichere Zwischenlagerung deutlich über die bislang genehmigte Aufbewahrung für 40 Jahre gewährleistet werden kann“, teilte das Ministerium mit. Allerdings hatte Umweltministerin Lemke sich zuletzt ein Bild von der niedersächsischen Schachtanlage Asse gemacht, in die Salzwasser eindringt. Sie sprach dabei von einem Wettlauf gegen die Zeit. Die dort eingelagerten Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Stoffen müssten „allerspätestens 2033“ geborgen werden, sagte Lemke.