Schlechte Noten für Schulen in der Corona-Krise Digitale Bildungsmisere

Analyse In einer Umfrage geben Eltern den Schulen schlechte Noten für den Umgang mit der Pandemie. Dass es beim nächsten Lockdown besser wird, glauben nur wenige. Allerdings: Schuld daran sind nicht nur die Schulen.

 Schüler sitzen an einem Computer-Arbeitsplatz in einer Grundschule.

Schüler sitzen an einem Computer-Arbeitsplatz in einer Grundschule.

Foto: dpa/Friso Gentsch

In einer repräsentativen Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom gaben Eltern den Schulen die Note „mangelhaft“ für ihre Fähigkeit, im Falle erneuter Schulschließungen den Unterricht aufrechterhalten zu können. Der Wechsel ins virtuelle Klassenzimmer ist aus Sicht der Befragten nicht geglückt, der Stand der Digitalisierung an deutschen Schulen wird nur mit „ausreichend“ bewertet.

Das Ergebnis der Umfrage spiegelt im Grunde die Probleme wieder, die in den vergangenen Jahren praktisch jede Bildungsstudie aufgedeckt hat. Das Coronavirus hat die Defizite nur in aller Deutlichkeit zutage treten lassen – wie in anderen Lebensbereichen auch. Die miserablen Bedingungen an vielen Schulen sind seit Jahren ebenso bekannt gewesen wie die für rumänische oder bulgarische Arbeitskrärfte in der Fleischindustrie. Zufall, dass in beiden Fällen die Betroffenen in Deutschland größtenteils nicht wahlberechtigt (Schüler) sind oder zumindest im Fall der vielen verbeamteten Lehrer nicht streiken dürfen? Und anders als Unternehmen können Schulen auch nicht mit der Verlagerung der Produktion ins Ausland drohen, wenn die Politik nicht für bessere Bedingungen sorgt.

Daher ist die Umfrage des Bitkom im Grunde auch etwas unscharf, weil der Eindruck entstehen könnte, dass „die Schule“ an den schlechten Rahmenbedingungen so ohne weiteres etwas ändern könnte. Dabei liegt die Verantwortung für das jahrzehntelange Versagen bei den Kommunen, den Bundesländern und letztlich auch bei der Bundesregierung, die das Thema all die Jahre zu stiefmütterlich behandelt hat mit dem Verweis auf föderale Zuständigkeiten.

In der Corona-Krise hat sich die Trägheit des Systems erneut gezeigt. Ein Unternehmen, das auf den Lockdown nicht vorbereitet war, hat kurzerhand Technik für die Mitarbeiter eingekauft – die Dienstgeräte, die Lehrer in NRW nun durch Gelder der Landesregierung bekommen sollen, müssen in vielen Fällen wohl erst europaweit ausgeschrieben werden. In Krefeld dachte man zuletzt offenbar bereits darüber nach, ganz auf die Gelder vom Land zu verzichten, weil die personellen Ressourcen fehlen würden, um sich um die Abwicklung zu kümmern. Denn die muss lokal erfolgen. Es ist ein Zuständigkeits- und Abwicklungschaos, das sich schon bei den fünf Milliarden Euro, die der Bund für die Digitalisierung mittels „Digitalpakt“ bereitgestellt hatte, gezeigt hat. Auch dort sind bislang kaum Mittel abgerufen worden.

Gleichzeitig verlieren die Kinder und Jugendlichen an deutschen Schulen den Anschluss. Im November 2019 veröffentlichte die „International Association for the Evaluation of Educational Achievement“ eine Studie zu den digitalen Kompetenzen von Achtklässlern in Europa. Die Forscher untersuchten, wie gut die Schüler mit Computern umgehen können, ob sie in der Lage sind, Informationen zu verarbeiten und zu erzeugen, kurzum: ob sie über Basiskenntnisse verfügen, die in praktisch jedem Beruf erforderlich sind.

Ergebnis: Rund ein Drittel der Schüler landete in Deutschland auf den untersten beiden Kompetenzniveaus. Sie können nicht viel mehr als eine E-Mail anklicken oder einen Suchbegriff eingeben. Bei einer ersten Auflage der Studie hatte das Ergebnis 2013 ähnlich ausgesehen.

Wenn Bitkom-Präsident Achim Berg sagt, die Digitalisierung der Schulen müsse von Null auf Hundert beschleunigt werden, dann ist nicht nur ein Appell an die Schulen – sondern auch an diejenigen, die für die Rahmenbedingungen verantwortlich sind. Laut Bitkom-Umfrage sind 71 Prozent der Befragten dafür, dass der Bund alleine für die Bildungspolitik zuständig sein sollte. Die Länder sollte dieses Ergebnis alarmieren, immerhin geht es hier auch um die eigene Legitimation.

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