Mehr Wirtschaftshilfen gefordert Einzelhändler und Gastronomen reagieren entsetzt auf bundesweite 2G-Regel

Berlin · Die bundesweite Einführung einer strikten 2G-Regel im Einzelhandel, in Freizeiteinrichtungen und in der Gastronomie bedeutet weitere empfindliche Umsatzeinbußen für die betroffenen Branchen. Mit entsprechend harscher Kritik an den Bund-Länder-Beschlüssen und Forderungen nach mehr staatlichen Wirtschaftshilfen reagierten die Branchenverbände.

 DIHK-Präsident Peter Adrian

DIHK-Präsident Peter Adrian

Foto: dpa/Michael Kappeler

„Es ist ein wichtiges Signal, dass mit den heutigen Corona-Beschlüssen ein erneuter Lockdown für den größten Teil der Wirtschaft verhindert wird. Sie bedeuten für viele Unternehmen jedoch mehr Aufwand und höhere Kosten bei niedrigeren Einnahmen“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Peter Adrian, unserer Redaktion.

Der scheidende Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte bereits im Vorfeld über die Fortführung bisheriger Wirtschaftshilfen berichtet. So sollen die Überbrückungshilfen des Staates bis Ende März 2022 gelten, drei Monate länger als bisher vorgesehen. Besondere Unterstützung sollen Advents- und Weihnachtsmärkte bekommen. Beispielsweise sollen sie einen leichteren Zugang zu Eigenkapitalzuschüssen erhalten. Bei den Überbrückungshilfen müssen Unternehmen weiterhin einen Corona-bedingten Umsatzrückgang von mindestens 30 Prozent gegenüber 2019 vorweisen. Sie können dann 90 Prozent ihrer Fixkosten erstattet bekommen, statt bisher 100 Prozent.

Bund und Länder haben sich am Donnerstag auf die bundesweite Einführung der 2G-Regel im Einzelhandel, in Kinos, Theatern und Gaststätten geeinigt. In Freizeiteinrichtungen und in der Gastrononomie können Länder für Geimpfte und Genesene ergänzend einen Schnelltest vorschreiben. Ungeimpfte haben auch mit einem negativen Schnelltest generell keinen Zutritt mehr. Im Handel sind nur Geschäfte des täglichen Bedarfs ausgenommen. Schon vor den Beschlüssen sind die Umsätze von Hotels und Gaststätten gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 um 34 Prozent eingebrochen, sagte Dehoga-Chef Guido Zöllick. 2G-Plus-Regelungen - also Zugang nur für Geimpfte und Genesene mit negativem Test - würden für viele Cafes und Restaurants einem Lockdown gleichkommen.

„Dort, wo 2G bereits in Handel und Gastronomie gilt, berichten gerade kleinere Geschäfte von wegbleibenden Kunden und praktischen Umsetzungsproblemen, auch weil die Kontrolle der Impfzertifikate viel Personal bindet“, sagte DIHK-CHef Adrian. „Die Impf- und Testregeln werden zudem die Kundenfrequenz gerade im Komsumbereich dämpfen. Das gilt etwa für den Einzelhandel, für Restaurants und viele persönliche Dienstleistungen.“ Noch stärker seien Unternehmen betroffen, die ihre Tätigkeiten jetzt wieder komplett einstellen müssten. „Die Verlängerung der Corona-Wirtschaftshilfen ist angesichts der geltenden Einschränkungen deshalb eine folgerichtige und wichtige Entscheidung“, sagte er. Gerade Schausteller und Markthändler bräuchten rasch Hilfe. „Die Überbrückungshilfe IV, mit der unter anderem Vorbereitungskosten kompensiert werden können, sollte daher mit Hochdruck umgesetzt und beantragbar gemacht werden“, forderte er.

Entsetzt reagierte der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) auf die Beschlüsse. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Politik trotz funktionierender Hygienekonzepte und der Maskenpflicht nun im Einzelhandel 2G einführt. Damit werden viele Handelsunternehmen aus rein symbolischen Gründen in ihrer umsatzstärksten Zeit massiv eingeschränkt. Und das in der wichtigsten Phase des Jahres, dem Weihnachtsgeschäft“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Allein im Dezember gingen dem stationären Handel nach einer Schätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft 5,3 Milliarden Euro Umsatz verloren.  „Die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz sind ein Schlag ins Kontor, das verhagelt vielen Einzelhändlern das Weihnachtsgeschäft“, sagte Genth. Der Handel stehe zur effektiven und wirkungsvollen Bekämpfung der Pandemie, aber 2G in den Geschäften sei reine Symbolpolitik. „Aufgrund der unvermeidlichen Schlangen vor der Kontrolle der Kundinnen und Kunden im Handel, wird die Kundenfrequenz sinken.“ Die Enttäuschung und die Sorge bei vielen Handelsunternehmen sei „riesengroß“. Der HDE fordert bei der Überbrückungshilfe Einzelhandelsunternehmen auch schon bei einem nachgewiesenen Umsatzverlust von 15 Prozent die Möglichkeit der Antragsstellung zu geben. Zudem setzt sich der Verband für die Verdopplung der Höchstgrenze beim Bezug von Hilfen ein, da der aktuelle Grenzwert für dieses Jahr von vielen Unternehmen bereits im ersten Lockdown des Jahres ausgeschöpft werden musste.

Auch die Feuerwerkshersteller reagierten mit heftiger Kritik. Das von Bund und Ländern beschlossene erneute Feuerwerksverbot an Silvester bedeute „mit aller Wahrscheinlichkeit den Todesstoß für die gesamte Feuerwerksbranche in Deutschland“. Den 3000 Beschäftigten der Branche drohe die Arbeitslosigkeit, warnte der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI).

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