Berlin/Wiesbaden Einwanderungsland Deutschland

Berlin/Wiesbaden · 2015 sind so viele Menschen in die Republik und nach NRW gekommen wie noch nie. Ein Grund: der starke Zustrom von Flüchtlingen.

 Deutschland bleibt ein beliebtes Einwanderungsland.

Deutschland bleibt ein beliebtes Einwanderungsland.

Foto: dpa, Peter Endig

Ein beliebtes Einwanderungsland ist Deutschland schon lange. So viele Menschen wie 2015 sind allerdings seit Bestehen der Bundesrepublik noch nie gekommen. Gleichzeitig verließen aber auch noch nie so viele Menschen - Ausländer wie Deutsche - das Land. So ergibt sich, wie das Statistische Bundesamt gestern mitteilte, unterm Strich ein Plus von rund 1,1 Millionen Menschen in Deutschland - ebenfalls ein Rekord.

Zuwanderung
Mehr als 2,1 Millionen Menschen kamen ins Land, vor allem Flüchtlinge aus den Kriegsregionen und Arbeitssuchende aus dem EU-Ausland. Das waren laut Statistik 672.000 Menschen oder 46 Prozent mehr als im Vorjahr. Die größte Gruppe der Zuwanderer hatte einen syrischen Pass (310.000), gefolgt von Rumänen (221.000) und Polen (191.000). Etwa 45 Prozent der Einwanderer kamen aus einem EU-Mitgliedsland. Das waren insgesamt etwa 967.000 Menschen (plus vier Prozent). Innerhalb Europas sorgten Albaner (um 35.000 auf 47.000), Rumänen (um 12.000 auf 90.000), Kroaten (um 15.000 auf 40.000) und Bulgaren (um 5000 auf 40.000) für die stärksten Zuwächse. Aus Polen kamen etwa so viele Menschen wie im Vorjahr. Die Zuwanderung aus südeuropäischen Krisenstaaten spielte den Statistikern zufolge eine geringe Rolle.

Abwanderung
2015 verließen so viele Menschen die Bundesrepublik wie in keinem Jahr zuvor. 998.000 Personen wanderten aus, 83.000 (neun Prozent) mehr als im Jahr zuvor. Darunter waren 138.000 Deutsche, die ihre Heimat verließen. Vier von zehn davon zog es dabei ins EU-Ausland. Mit Abstand beliebtestes Zielland: die Schweiz, gefolgt von den Vereinigten Staaten und Österreich.

Berlin/Wiesbaden: Einwanderungsland Deutschland
Foto: Weber

Bundesländer
Insgesamt verzeichneten alle Bundesländer für 2015 mehr Zuwanderung. Allerdings konzentrierte sie sich zu fast drei Vierteln auf fünf Bundesländer: Den höchsten Wanderungsüberschuss hatte Nordrhein-Westfalen (277.000), gefolgt von Baden-Würtemberg (173.000), Bayern (169.000), Niedersachsen (115.000) und Hessen (95.000).

NRW
Mit 636.300 Zuwanderern kamen 2015 so viele Menschen nach Nordrhein-Westfalen wie noch nie seit Gründung der Bundesrepublik 1949. Die meisten Zuwanderer kamen aus Syrien (77.000), Rumänien (45.100), Polen (44.400), Irak (26.100) und Albanien (24.500). Möglicherweise ist die Zuwanderung sogar ein historischer Rekord: Aus den ersten Jahren seit 1946 liegen aber laut Landesamt für Statistik keine verlässlichen Daten für NRW vor. Im bisherigen Rekordjahr 1990 waren 497.700 Menschen nach NRW gekommen.

Unterm Strich ist die Einwohnerzahl von NRW aber nur um 1,3 Prozent (227.400 Menschen) gestiegen. Denn das Land hatte zugleich einen erheblichen Aderlass zu verkraften: 372.300 Menschen kehrten NRW im vergangenen Jahr den Rücken - neun Prozent mehr als im Jahr zuvor. 211.100 NRW-Bürger gingen ins Ausland, überwiegend nach Polen, Rumänien und Bulgarien.

Auch die Bilanz bei Geburten und Sterbefällen drückte auf die Einwohnerzahl: 2015 starben in NRW 43.900 Menschen mehr, als Kinder geboren wurden. Ende vergangenen Jahres lebten in Nordrhein-Westfalen 17,9 Millionen Menschen. Der Höchststand von 18,1 Millionen Menschen aus dem Jahr 2003 wurde damit nicht erreicht.

Die vorläufige Statistik basiert auf den Angaben der Meldebehörden und bildet nach Einschätzung des Bundesamtes die Wirklichkeit nicht genau ab, vor allem weil sich einige Flüchtlinge noch nicht anmelden konnten, andere wurden möglicherweise doppelt erfasst.

Flüchtlinge
Wenn sich die Flüchtlinge den Wohnort aussuchen können, ziehen die meisten in städtische Ballungsräume. Zugleich streben sie in jene Regionen, in denen sie schon Freunde oder Verwandte haben. Die Bundesagentur für Arbeit hat unter die Lupe genommen, wohin die Asylbewerber aus den acht wichtigsten nicht-europäischen Herkunftsländern ziehen. Insgesamt wurden die Wohnadressen von 215.000 Flüchtlingen berücksichtigt. Es handelt sich um jene Gruppe, die schon einen Aufenthaltsstatus hat und als erwerbsfähig gemeldet ist.

Verteilung
Die Analysen der Bundesagentur zeigen, dass es eine hohe Konzentration von Flüchtlingen in NRW, in Hessen, in Hamburg und in Berlin gibt. Auch nach Niedersachsen und ins kleine Saarland sind viele gezogen. Im Osten, in Bayern und in Baden-Württemberg ist die Konzentration eher gering. Einzelne Nationalitäten tummeln sich in bestimmten Regionen: Afghanen bevorzugen das südliche Hessen und Hamburg. Menschen aus dem Irak sind vor allem in NRW und Berlin zu finden. Auch Iraner streben eher nach NRW, aber auch nach Hessen und Berlin. Große Gruppen von Pakistanern leben in Hessen, in Berlin und Hamburg. Die größte Streuung zeigen die Syrer, die auch die größte Gruppe der Flüchtlinge sind. Sie finden sich schwerpunktmäßig in Nordrhein-Westfalen, im Saarland, in Niedersachsen, in Hamburg und Berlin. Aus Sicht der Kommunen ist die Ballung einzelner Nationalitäten ein Problem, sie fürchten Ghettoisierung. Wenn Flüchtlinge genug Landsleute um sich haben, sei der Druck, sich zu integrieren und Deutsch zu lernen, geringer, als in deutscher Nachbarschaft.

Wohnsitzauflage
Die Bundesregierung reagierte auf die Sorgen der Kommunen mit der Wohnsitzauflage. Sie verpflichtet die Flüchtlinge, in jenem Bundesland zu bleiben, in dem ihr Asylverfahren läuft. Die Länder können zusätzliche Wohnsitzauflagen machen, indem sie den Flüchtlingen vorschreiben, in welchen Kreis oder welche Stadt sie ziehen sollen. Alternativ können die Länder auch bestimmen, dass die Flüchtlinge frei sind in ihrer Wohnortwahl - dabei aber bestimmte Städte oder Straßenzüge ausnehmen, in denen bereits besonders viele Flüchtlinge leben.

(RP)
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