Große Differenzen Einigung bei Gesundheitsreform in weiter Ferne

Berlin (rpo). Die Fachgespräche sind beendet, bis Sonntagabend sollen die Eckpunkte für die Gesundheitsreform stehen - doch noch immer gibt es offenbar nur schwer überbrückbare Differenzen. Aus den Reihen der Union gibt es schon wieder einen neuen Vorschlag: Die Patienten sollen Arztrechnungen zuerst selbst bezahlen und sich dann das Geld von der Kasse erstatten lassen.

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Foto: AP

Die Arbeitsgruppe Gesundheit hatte am Mittwochabend ihre zwölf Wochen währenden Verhandlungen offiziell abgeschlossen. Bis Sonntag soll ein Eckpunktepapier vervollständigt werden, über das der Koalitionsausschuss dann befindet, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Inhalte würden bis dahin nicht veröffentlicht. Unter anderem bei der Gestaltung des Gesundheitsfonds "gibt es noch Differenzen zwischen uns und der Union", sagte SPD-Vizefraktionschefin Elke Ferner am Donnerstag im Bundestag.

Aus einer von der Opposition beantragten Bundestagsdebatte wurde aber deutlich, dass vieles weiter umstritten ist. So sagte Ferner, die SPD bestehe auf einem Solidarbeitrag der Privaten Krankenversicherung. Dagegen wiederholte CSU-Gesundheitsexperte Wolfgang Zöller: "Wer eine PKV kaputt macht, löst kein einziges Problem in der gesetzlichen Krankenversicherung." Beide hatten in der Arbeitsgruppe mit verhandelt.

Beim Gesundheitsfonds, den grundsätzlich sowohl Unions- als auch SPD-Politiker verteidigten, ist nach Ferners Worten immer noch offen, ob die Krankenkassen bei zusätzlichem Finanzbedarf eine "kleine Pauschale" von ihren Versicherten verlangen dürfe. Die CDU wolle das, die SPD wolle lieber andere Finanzierungsarten, sagte Ferner.

Auch die Gegenfinanzierung des geplanten Steuerzuschusses von 16 Milliarden Euro ist nach ihren Worten offen. Eine völlig neue Gesundheitssteuer sei "eine von mehreren Denkvarianten", sagte sie der "Saarbrücker Zeitung". Um das nötige Volumen zusammenzubekommen, wäre eine Sondersteuer von 1,1 Prozent auf das gesamte Bruttoeinkommen nötig, wie die "Berliner Zeitung" meldete. Die CDU-Politikerin Annette Widmann-Mauz schloss für die Union aus, dass Beitragsbemessungsgrenze oder Versicherungspflichtgrenze angehoben werden.

Kritik von der Opposition

Übereinstimmung deutete sich hingegen bei dem Ziel an, den Patienten "mehr Wahlmöglichkeiten und mehr Wechselmöglichkeiten" zu eröffnen, wie die parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD) sagte. Ob allerdings auch der Unions-Vorstoß für eine ärztliche Behandlung auf Rechnung für die SPD akzeptabel wäre, blieb offen. Widmann-Mauz sagte, die Union wolle "bei der ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung das Sachleistungsprinzip durch das Prinzip der Kostenerstattung ersetzen". Außerdem wolle man Selbstbehalttarife. Härten für Arme insbesondere bei hohen Arztrechnungen sollten durch "unbürokratische Ausnahmen" vermieden werden.

Würde dies umgesetzt, wäre dies für die Krankenkassen "eine große Revolution", wie der AOK-Bundesverband auf Anfrage mitteilte. Eine Sprecherin bewertete die Kostenerstattung kritisch.

Widmann-Mauz nannte auch einige Beispiele für geplante Strukturreformen, über die sich Union und SPD offenbar einig sind. Dazu zählt eine Kosten-Nutzen-Bewertung für Arzneien, die an Kassenpatienten vergeben werden dürfen, mehr Vertragsfreiheit für Krankenkassen, kassenart-übergreifende Fusionen sowie der Abbau von Bürokratie.

Die Opposition lehnte - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen - den geplanten Gesundheitsfonds einhellig ab. Außerdem kritisierten FDP, Grüne und Linke, dass nach den langen Verhandlungen die Reform immer noch nicht klar umrissen sei.

(ap)
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