Nicht nur in Ministerien Diesen Einfluss haben externe Berater auf die deutsche Politik

Bundeswehr und Bahn sind zum Tummelfeld für externe Expertise geworden. Doch auch die anderen Regierungsbereiche sichern sich gerne gut bezahlte Beratung. Sogar Vetternwirtschaft kommt nun ins Spiel. Eine Analyse.

 Ursula von der Leyens in China (Archivfoto).

Ursula von der Leyens in China (Archivfoto).

Foto: AP/How Hwee Young

Als der frischgebackene Verteidigungsminister Rudolf Scharping Ende der 90er Jahre mehr militärische Leistung für weniger Geld liefern sollte, war guter Rat teuer. Aber schnell verfügbar. Roland Berger und seine Mitarbeiter schrieben dem Sozialdemokraten für ein paar Millionen auf, wie er Geld sparen und sondern eigene Mittel aus der Bundeswehr erwirtschaften könne. Bald war die „Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb“ (GEBB) gegründet. Aber um in die Gänge zu kommen, brauchte die Gesellschaft erst einmal weitere Beratung für Millionen-Honorare.

20 Jahre später ist aus der GEBB die „BwConsulting“ geworden. Sie hat weiterhin viele Dutzend Mitarbeiter ein paar Veränderungen wie die Flotte des silbergrauen Fuhrpark-Service hinbekommen und kennt sich laut Eigenwerbung insbesondere beim „Prozessmanagement“ der Truppe, beim „IT-Management“ der Soldaten und auch im „Projektmanagement“ der Bundeswehr aus. Also hätte sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen den ganzen Ärger der Berateraffäre sparen können, wenn sie einfach nur die eigenen Berater eingespannt hätte? Vermutlich nicht. Denn diese Berater brauchen fürs Beraten selbst Beratung. Leben wir somit längst in der Beraterrepublik Deutschland?

So muss es sein. Denn die Bundesregierung bräuchte inzwischen dringend Berater, die ihr dabei helfen herauszufinden, wie viel Beratung sie eigentlich braucht. Auf Anfrage der Linken kam das Finanzministerium im November auf die Schätzung von über 3800 Verträgen mit zusammen mindestens 716 Millionen Euro seit Anfang 2014. Doch bei stichprobenartigen Prüfungen im Verteidigungsministerium deckte der Bundesrechnungshof auf, dass das wirkliche Ausmaß bei weitem nicht der Übersicht des Finanzministeriums entspricht. So hatte von der Leyens Haus für 2016 sechs Aufträge über 2,9 Millionen Euro an die Finanzkollegen gemeldet. Dagegen fanden sich tatsächlich 193 Verträge über 150 Millionen.

Ist das ganze Geld nötig? Der frühere CDU-Sprecher und jetzige Politikberater Jürgen Merschmeier verweist auf die englische Weisheit: „Wenn Du denkst, es ist teuer, einen Experten anzuheuern, dann warte, bis Du einen Amateur anheuerst.“ Experten seien auf ihren Spezialgebieten oft sachkundiger, hätten einen unverstellten Blick auf Probleme, seien nicht betriebsblind und brächten neue Ideen und frischen Wind. Allerdings schränkt der Berater zugleich ein: „Sie sollten nur fest umschriebene Aufgaben wahrnehmen und zeitlich eng begrenzt eingesetzt werden.“

Ähnlich lautet die Herangehensweise der FDP an den Untersuchungsausschuss, der von der Leyens Berateraffäre aufrollen soll. „Wir haben kein Problem mit externer Expertise, aber es wird immer schwierig, wenn kein Controlling mehr stattfindet“, sagt Bundeswehr-Expertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sprich: Da muss jederzeit jemand drauf gucken, dass innerhalb vorgegebener Zeiten für angemessene Bezahlung konkret bestellte Leistungen von solchen Experten erbracht werden, die in einem fairen Verfahren dafür ausgesucht worden sind.

Daran muss es im Verteidigungsministerium gefehlt haben. Aus ministeriumsinternen Unterlagen haben Abgeordnete herausgelesen, dass offenbar Berater mit Zugriff auf Berater-Budgets sich innerhalb des Ministeriums auf weitere Dienstleistungen verständigten, um den verfügbaren Betrag optimal abschöpfen zu können. Dass die Koalition nun bei der Installierung des Untersuchungsausschusses auf die Bremse tritt und alle Fragen verhindern will, die sich aus neuen Erkenntnissen ergeben, erklärt sich Strack-Zimmermann damit, dass der Koalition möglicherweise dämmert, was da alles rauskommen könnte. „Wir haben in ein Wespennest gestochen“, fasst die Politikerin zusammen.

Eine in ihren Ausmaßen nicht bekannte Angelegenheit betrifft einen Vertrauten der früheren Staatssekretärin Katrin Suder, der nach Berechnungen des FDP-Abgeordneten Christian Dürr innerhalb von vier Jahren „eine halbe Million Euro für Beratungsdienstleistungen“ erhalten haben soll. Die komplette Liste behandelt das Ministerium in der Antwort auf Anfrage der FDP als Verschlusssache. Öffentlich zugänglich werden lediglich sechs Tagessätze à 2800 Euro aufgeführt, darunter zwei Tagessätze für eine Person für denselben Tag. Das Verteidigungsministerium weist darauf hin, dass dieser aber nicht doppelt abgerechnet worden sei. Die Summe von einer halben Million sei zustande gekommen, weil es Aufträge zu einem wesentlichen Teil auch von anderen Ressorts ergangen seien. Ein anderer Bundeswehrangehöriger soll dem Vater seiner Patenkinder einen großen Beratervertrag gegeben haben - ohne Unrechtsbewusstsein.

Die großzügige Vergabe von Beraterverträgen ist nicht auf Ministerien beschränkt. Auch der Staatskonzern Deutsche Bahn setzte jahrelang in großem Stil auf externe Expertise. Nach Medienberichten soll die Bahn 2016 allein 120 Millionen und 2017 weitere 160 Millionen in die Unternehmensberatung gesteckt haben. „Der Vorstand sollte lieber mal seine Mitarbeiter fragen und die Fachkompetenz der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner nutzen. Die kennen sich aus“, sagt der Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kirchner, zugleich Vizevorsitzende des Bahn-Aufsichtsrates. Wirklich geholfen hätten die externen Gutachten auch nicht. „Sie waren oft nicht Teil der Lösung sondern Teil des Problems“, so Kirchner. Im Bahntower sieht man das inzwischen offenbar genauso. Nach Konzernangaben wurde das Berater-Budget auf hundert Millionen jährlich gedeckelt.

Erste Konsequenzen hat auch die Verteidigungsministerin gezogen und eine zentrale Stelle geschaffen, die verhindern soll, dass die Beraterverträge vorschriftswidrig vergeben werden. Das war laut eigener Überprüfung in den letzten Jahren bei mehr als der Hälfte der Verträge schief gegangen. Offenbar fehlte hier die Expertise.

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