Schwarz-Gelb im Dauersteit Eine neuer Riss im Fundament

Berlin (RPO). Die schwarz-gelbe Koalition präsentiert sich derzeit so zerstritten wie noch nie seit ihrem deutlichen Wahlsieg im vergangenen Jahr. Jüngster Auslöser ist Guidos Westerwelles Abrechnung mit Hartz IV. Während sich der FDP-Chef weiterhin stur verteidigt, attackieren Liberale jetzt in scharfem Ton auch die Kanzlerin. Merkel solle sich nicht als Oberlehrerin verhalten, schallt es zum Beispiel aus NRW. Ein neuer Riss im Fundament, das allmählich ins Wanken zu geraten scheint.

Diese Streitthemen beherrsch(t)en Schwarz-Gelb
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Foto: AP

"Wenn Frau Merkel sich von Westerwelles Äußerungen jetzt distanziert, dann hat sie offensichtlich noch nicht verstanden, dass sie nicht mehr in der großen Koalition mit der SPD regiert", sagte Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn. Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion in NRW, Gerhard Papke, spottete: "Seit wann ist die Kanzlerin die Oberlehrerin der Nation?" Westerwelle selbst ging unterdessen in die Offensive und forderte eine Generaldebatte im Bundestag.

Westerwelle warf seinen Kritikern "Beleidigungen" vor und bemängelte, sie versuchten damit zu verbergen, "dass es ihnen an Wahrheit und Argumenten fehlt". Sie sollten sich daher im Bundestag einer Debatte über soziale Gerechtigkeit stellen. Indirekt übte der FDP-Chef auch Kritik an Merkel: "Jeder hat seinen eigenen Stil. Ich will gestalten, und deswegen will ich unserem Volk auch die Wahrheit sagen. Das Herumreden um den heißen Brei führt doch nur zu noch mehr Politikverdrossenheit."

"Das muss man noch mal sagen dürfen"

Zugleich bekräftigte Westerwelle seine umstrittenen Äußerungen: "Wir wollen den Bedürftigen helfen, aber nicht den Findigen. Und wir dürfen nicht zulassen, dass der, der arbeitet, immer mehr der Dumme ist, weil ihm immer weniger bleibt." Die Vorsitzende der FDP-Bundestagfraktion, Birgit Homburger stärkte ihm den Rücken. In Deutschland müsse man "noch mal sagen dürfen, dass Wohlstand nicht nur verteilt werden" könne, sondern dass er zunächst von den Steuerzahlern hart zu erarbeiten sei.

Auch in den Ländern wächst die Kritik an der Kanzlerin: Hahn forderte Merkel auf, ihren Vize gegen Anwürfe aus der CDU zu verteidigen. "Ich erwarte ein Machtwort von Angela Merkel", sagte Hahn. Die Bundeskanzlerin müsse "ihren Stellvertreter vor unmöglichen Beschimpfungen aus der Union in Schutz nehmen". Bayerns FDP-Chef Martin Zeil kritisierte, die Kanzlerin ergehe sich in "machttaktischen Spielchen" und flirte zusammen mit NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) mit den Grünen. "Keine fünf Monate nach einer dank der FDP fulminant gewonnenen Bundestagswahl empfinde ich das als Unverschämtheit", sagte er.

"Westerwelle vertritt nur einzelne Gruppen"

Unterdessen gingen weitere Unions-Politiker auf Distanz zu Westerwelle. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte, Fordern und Fördern gehöre zwar immer zusammen. Doch sei Solidarität ein Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft. Er betonte zugleich: "Das ist in keinster Weise sozialistisch." Als Bundesminister müsse man sich immer bewusst sein, "dass man alle Deutschen vertritt und nicht nur bestimmte Gruppen."

Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) wies die Äußerungen Westerwelles zurück. Dass diese Debatte sozialistische Züge trage, sei nicht nachvollziehbar. Zugleich machte er deutlich, dass er keinen Bedarf für höhere "Hartz-IV"-Regelsätze bei Erwachsenen sehe. Er halte diese für aktuell "durchaus auskömmlich". Veränderungen bei den Sätzen für Kinder hingegen seien angemessen.

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach mahnte zu mehr Besonnenheit. "Ich mache mir schon Sorgen über das Erscheinungsbild der Koalition - gerade in den letzten Tagen nicht nur wegen der umstrittenen Äußerungen von Guido Westerwelle", sagte Bosbach. "Wenn die Menschen das Gefühl bekommen, die Regierungsparteien beschäftigen sich mehr mit sich selber, mit Strategie und Taktik als mit unseren Sorgen, mit den Problemen des Landes, dann wird die Zustimmung zur Koalition nicht größer", fügte er hinzu.

(DDP/csi)
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