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Eine CSU wie bei Shakespeare Wer agiert wie und warum in Seehofers Drama

Berlin/München · Die Haupt-Akteure in dem beispiellosen Polit-Schauspiel von München und Berlin. Wie sie vorgehen, welche Motive sie treiben. Ein Überblick.

 Horst Seehofer verlässt Sonntagnacht die Parteizentrale der CSU.

Horst Seehofer verlässt Sonntagnacht die Parteizentrale der CSU.

Foto: dpa/Sven Hoppe

Man müsse den Menschen überzeugende Geschichten erzählen, damit sie Personen und Konzepte verstehen und sich bei Wahlen für die eine oder andere Partei entscheiden. „Storytelling“ nennen die modernen Strategen der Macht das. CSU-Chef Horst Seehofer strickt an einer Story, die vielen den Atem nimmt. Ein Drama voller Selbstzerstörung und Untergangsszenarien. Beinahe täglich wird Shakespeares erfundenes Aufeinanderprallen der Charaktere von dieser Wirklichkeit in den Schatten gestellt. Wir schauen auf die wichtigsten Spieler und ihre Motive in diesem CSU-Drama.

Horst Seehofer (69) wird nach dem angezettelten  Mega-Streit in der Unionsfraktion als „alter Mann“ beschrieben, der „krank, einsam und böse“ geworden sei. Wer so über einen früheren Mitstreiter spricht, hat die Hoffnung aufgegeben, dass da noch mal einer zur Vernunft kommen könnte. Er fährt nach dem angekündigten Rücktritt zu Vermittlungsbemühungen nach Berlin und bringt gleichzeitig die Botschaft in die Welt: „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist.“ Seehofer war Sonntag Nacht entschlossen, sich selbst ins Schwert zu stürzen, obwohl er maßgeblich von zwei anderen Mitspielern in die Situation gebracht worden war, und gleicht nun einem, der versucht, einen der großen Gegenspieler seines Lebens mit in den Abgrund zu reißen: Die Kanzlerin oder seinen Nachfolger als Ministerpräsident.

Markus Söder (51) hätte Sonntagnacht übernehmen können, als Seehofer Ministeramt und Parteivorsitz wegwerfen wollte. Er rauschte nach dessen Rücktritt vom Rücktritt verärgert davon. Damit hat Söder schon zwei Gelegenheiten versäumt, die Posten von Regierungs- und Parteichef wieder zu verbinden. Doch er will es noch nicht. Weiß er doch zu genau, dass ihm eine Niederlage bei den Landtagswahlen im Oktober dann alleine zugeschrieben würde. Wenn er dann jedoch Seehofer in die Wüste schicken kann, hat er Chancen, Ministerpräsident einer Koalition zu werden. Er beteiligte sich an der Eskalation und brachte schon die anderen Länderregierungschefs gegen sich auf, als er das Machtspiel in der Union der Ministerpräsidentenkonferenz vorzog und sie gleichzeitig unter Druck setzte.

Alexander Dobrindt (48) hat geschafft, was vor ihm kaum einem Landesgruppenchef gelang: Statt nur verlängerter Arm der CSU in Berlin und von der Gunst des Parteichefs abhängig zu sein, gilt er neben Söder als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge. „Das kann ich nicht akzeptieren“, schleuderte er Seehofers Rücktrittsankündigung entgegen. Darin kommt sein ganzer Machtanspruch zum Ausdruck. So als müsse Seehofer ihn erst um Erlaubnis bitten. Dobrindt hat die Eskalation nicht nur unterstützt, sondern gesteuert. Mit seiner „konservativen Revolution“ versucht er einer mitunter in Angst und Panik vor möglichen AfD-Erfolgen ausbrechenden CSU einen ideologischen Anker zu geben, den er dann wieder lichtet, wenn er nach Seehofers Abtritt nach den Wahlen selbst übernimmt.

Manfred Weber (45), Chef der Konservativen im EU-Parlament und CSU-Vize, wäre mit seinen Kontakten in Brüssel Seehofers wichtigster Mann gewesen, wenn der sich für einen konstruktiven Weg entschieden hätte. Seine Ambitionen, nach den nächsten Europawahlen Kommissar oder gar Kommissionspräsident in Brüssel zu werden, kann er nach dem Zerstörungswerk Seehofers erst einmal vergessen, auch wenn er sich gegen Seehofers Wertung positionierte. Merkel habe viel erreicht, die CSU habe „Europa gerockt“. Sein sinkender Stern kam beim Vermittlungsversuch zum Ausdruck, als Seehofer nicht ihn, den eigentlich Zuständigen, sondern den CSU-Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber mitnahm.

Edmund Stoiber (76) ist der Überraschungsmitspieler. Das zeigt, dass der Ex-Partei- und Regierungschef hinter den Kulissen immer noch mit an den Fäden zieht. Er stärkte Seehofer in der Krisensitzung den Rücken und verwies darauf, dass Bayerns Verwaltungsgerichte wegen der Migration zu 90 Prozent lahmgelegt seien. Dann jedoch warnte er vor einem Bruch der Union. Er hat Erfahrung im Verhandeln mit Angela Merkel. Originellerweise vermittelte er 2004 den Gesundheitskompromiss mit Merkel, weswegen Seehofer als Vizefraktionschef zurücktrat. Stoiber hat genug Einfluss, um einen Übergang zu moderieren.

Gerd Müller (62) wagte es bei der elfstündigen CSU-Krisensitzung, Seehofer zu widersprechen, indem er darauf hinwies, dass in einer Regierung mehr zu erreichen sei als außerhalb. Seehofer warf ihm daraufhin mangelnde Unterstützung vor. Mit dem Namen Müller verbindet die CSU die Kritik an Seehofers schlechtem Stil, zuerst alle zu freimütigen Wortmeldungen zu ermuntern und dann alle Kritiker zu attackieren. Damit hat Seehofer seinen künftigen Gestaltungsspielraum drastisch verkleinert, die Erwartung an seine Ablösung innerhalb der CSU erhöht.

Stephan Mayer (44) spielt im selbstzerstörerischen Ränkespiel der Seehofer-CSU keine Rolle. In einem Shakespeare-Drama wäre er der loyale Kabinettschef, der hinter dem irren König das Chaos zu bändigen versucht. In der Wirklichkeit führt er Seehofers Innenministerium und könnte sofort übernehmen, wenn Seehofer das nächste Mal alles hinzuwerfen versucht - und ihn keiner mehr hält.

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