Kommentar Ein zukunftsweisendes Urteil aus Karlsruhe

Düsseldorf · Die Euro-Rettung entwickelt sich neben der deutschen Einheit zum kostspieligsten Abenteuer in der Geschichte der Bundesrepublik. Umso fragwürdiger ist es, dass die Bundesregierung den Bundestag gerade bei diesem heiklen Thema über weitreichende Entscheidungen zu spät und nur unzureichend informiert hat.

Der Euro-Rettungsschirm ESM
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Foto: dpa, Boris Roessler

Die Grünen haben deshalb beim Verfassungsgericht Beschwerde eingelegt — und sie haben gestern Recht bekommen. Das Verfassungsgericht stärkt mit seinem jüngsten Urteil die Rechte der Abgeordneten und gibt der Bundesregierung klare Kriterien für ihre Informationspflichten gegenüber dem Parlament vor.

Der Bundestag soll etwa auch über Zwischenergebnisse der Verhandlungen der europäischen Regierungen informiert werden. Die Abgeordneten dürfen von den Regierungen nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden, sondern müssen rechtzeitig vor Entscheidungen auf europäischer Ebene die Möglichkeit zur Einflussnahme haben.

Das mag die Geheimhaltung und die Abstimmungsprozesse zwischen den europäischen Regierungen erschweren. Umstrittenes könnte künftig frühzeitiger torpediert werden, die Erfolgschancen einzelner Projekte dadurch abnehmen. Doch Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle hat die besseren Argumente auf seiner Seite, wenn er sagt: Nur wenn die vom Volk Gewählten frühzeitig genug eingebunden werden, ist der Rückhalt in der Bevölkerung für kostspielige Abenteuer überhaupt möglich.

Richtungsweisend ist dieses Urteil auch mit Blick auf die Zukunft Europas: Die Nationalstaaten werden Souveränität an gemeinsame EU-Institutionen abgeben müssen, wollen sie die internationalen Kapitalgeber überzeugen, weiter in den Euro zu investieren. Schon in den vergangenen beiden Jahren litt der europäische Abstimmungsprozess unter einem Demokratiedefizit. Das Karlsruher Urteil mahnt die Europäer, hier nachzuarbeiten.

(RP)
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