Altkanzler Schröder wirbt für Staatshilfen Ein „Statist“ macht SPD-Wahlkampf

Düsseldorf/Ilsede (RP). Als engagierter Industriepolitiker präsentiert sich Altkanzler Gerhard Schröder bei seinem ersten inoffiziellen Wahlkampfauftritt. In der niedersächsischen Heimat wirbt der SPD-Politiker für Staatshilfen und attackiert den "Baron aus Bayern", CSU-Wirtschaftsminister zu Guttenberg.

Kurzporträt: Gerhard Schröder
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Abgenommen hat er ein wenig. Die Urlaubssonne färbt die tiefen Furchen im Gesicht des Polit-Pensionärs. Das Haupthaar glänzt gewohnt dunkel. Gerhard Schröder, seines Zeichens Altkanzler der SPD, ist wieder da. Und zwar dort, wo ihn die Genossen am liebsten sehen. Auf der Bühne.

Offiziell spricht Schröder in der alten Fabrikhalle im niedersächsischen Ilsede lediglich als Gastredner einer Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zur Industriepolitik. Als der örtliche SPD-Bundestagsabgeordnete, Generalsekretär Hubertus Heil, Schröder vor Monaten die Einladung überbrachte, entgegnete der mahnend, dass er keinen Wahlkampf machen wolle. Von wegen.

Schröder wettert gegen die "Marktradikalen"

Schröder röhrt, attackiert und witzelt wie zu besten Zeiten. Genüsslich wettert der 65-Jährige gegen die "Exzesse der Marktradikalen". Die Forderungen von Union und FDP nach Steuersenkungen kanzelt er ab. "Wer das tut, hat keine Ahnung oder er betrügt die Leute", ruft Schröder und ballt die rechte Faust. "Beides ist nicht gut". Die 500 Genossen in dem früheren Hüttenwerk applaudieren.

Sichtlich gut gelaunt triumphiert Schröder über die "Kapriolen", die die Konservativen in der Wirtschaftskrise schlagen würden. Lachend erinnert der Altkanzler an seine Zeit als Juso-Chef 1978. Damals, so Schröder, habe sich die SPD-Jugendorganisation für zwei Dinge eingesetzt. Für die Verstaatlichung der Banken und für die freie Liebe. "Aber was wir uns nie vorstellen konnten ist, dass eine CDU-Kanzlerin die Banken verstaatlicht und ein CSU-Ministerpräsident sich für die freie Liebe engagiert."

Die Anspielung auf die frühere Geliebte des CSU-Chefs Horst Seehofer gönnt das SPD-Publikum dem in vierter Ehe Verheirateten. Und so wie Schröder im Bundestagswahlkampf 2005 seiner Partei vor allem durch die persönlichen Attacken auf den Unions-Wirtschaftsberater Paul Kirchhof ("der Professor aus Heidelberg") die Regierungsbeteiligung rettete, avanciert nun Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zum Lieblingsfeind der Genossen.

Zu Guttenberg als Lieblingsfeind

Den Minister aus Adelsgeschlecht nennt Schröder verächtlich den "Baron aus Bayern". Dass der CSU-Politiker im Kampf um die Zukunft von Opel eine "Insolvenz" ins Gespräch gebracht hat, findet Schröder, der Freund des Staatsinterventionismus, unverantwortlich. "Für die Menschen bedeutet das Pleite." Die Menschen sollten abwägen, wem sie im September ihre Stimme geben, ergänzt Schröder.

Frank-Walter Steinmeier, der Außenminister mit dem Hang zum Opel retten, mache seine Sache gut, wirbt Schröder für seinen Zögling. Die Zuschauer haben verstanden. Guttenberg, der neue Star der Konservativen, ist auch der neue Feind der Sozialdemokraten. Am Ende lässt sich Schröder selbst als Firmenretter feiern. Er erinnert daran, wie er von den "Ordnungspolitikern der Gegenseite" — Schröder benutzt selten das Wort Union oder FDP — kritisiert wurde, weil er als niedersächsischer Ministerpräsident 1998 den Stahlkonzern Salzgitter vor dem Ausverkauf an einen ausländischen Konkurrenten schützte und verstaatlichte.

Heute sei alleine der 25-Prozent-Anteil an dem Konzern doppelt so viel Wert wie der damalige Kaufpreis. Und die Arbeitsplätze seien gesichert. "Das ist Industriepolitik", ruft Schröder. Der lange Applaus zeigt, dass ihm dafür viele hier in dem kleinen Dorf 20 Kilometer von Salzgitter entfernt dankbar sind. So ist das Volk am Ende auch sehr zufrieden mit "unserem Kanzler", wie ein älterer Sozialdemokrat aus dem Kreistag sagt. "Wenn der noch mehr solcher Reden hält, gewinnen wir im September."

Den Gefallen wird ihm Schröder wohl tun. Offiziell bezeichnet er sich als "Statist" in der Auseinandersetzung. Aber das glaubt ohnehin keiner.

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