Neustart bei der Endlagersuche Ein nukleares Fass wird wieder geöffnet

Düsseldorf · Seit Jahrzehnten stagniert die Suche nach einem Endlager für nukleare Abfälle. Keiner will es haben, weder Landes-Regierungen noch Bevölkerung. Nun zeichnen Umweltminister Norbert Röttgen und die Länder die Landkarte der Bundesrepublik neu. Die Suche soll bei Null beginnen. Tatsächlich haben sich entscheidende Faktoren verändert.

Umweltminister Norbert Röttgen gab zusammen mit Vertretern der Länder einen Neustart bei der Endlagersuche bekannt. Neben ihm sitzt der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister.

Umweltminister Norbert Röttgen gab zusammen mit Vertretern der Länder einen Neustart bei der Endlagersuche bekannt. Neben ihm sitzt der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister.

Foto: dpa, Sebastian Kahnert

"Es geht darum, den sichersten Standort für radioaktive Abfälle in Deutschland zu finden", sagte Röttgen am Freitag nach einem Treffen mit Vertretern der Länder in Berlin. Es gebe "keine Tabus", versicherte der CDU-Politiker und sprach von einer "weißen Landkarte". Die Zeit hierfür sei "überreif". Die Erkundungsarbeiten am Salzstock Gorleben, bisher erster Anwärter auf das Endlager, sollen jedoch fortgesetzt werden.

Gesetz über ein Verfahren bis 2012

Noch im November soll nun Röttgen zufolge eine Arbeitsgruppe aus acht Ländern und dem Bund ihre Arbeit aufnehmen. Röttgen stellte bis zum Sommer 2012 ein Gesetz in Aussicht, das von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden solle. Es gehe darum, ein transparentes Verfahren anzustoßen, das von Anfang an eine Beteiligung der Bürger gewährleiste und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiere.

Die Worte erinnern doch sehr an bisherige Versuche, in der Endlagerfrage nach vorne zu kommen. Schon die Umweltminister Jürgen Trittin und Sigmar Gabriel hatten Kriterien entwickeln lassen, prallten damit aber am Widerstand der Länder ab. Folge: Man blieb beim Status Quo: Gorleben.

Scharfe Kritik

Dass sich Salzstock trotz aller Nachforschungen nicht ideal für die Endlagerung erweisen dürfte, gilt allerdings schon längst als gesicherte Erkenntnis. Das Gestein ist empfindlich, wenn es mit Wasser in Berührung kommt. Auch an diesem Freitag heißt es in Berlin: Gorleben wird weiter erkundet.

Umweltverbände sehen darin Grund genug zu scharfer Kritik: "Wenn Gorleben bei der Endlagersuche weiterhin im Topf bleibt, ist das Verfahren zum Scheitern verurteilt", sagte Greenpeace-Experte Tobias Münchmeyer. "Einen wirklichen Neustart im Umgang mit hochradioaktivem Atommüll kann es nur ohne Gorleben geben."

BUND: inakzeptabel

Auch der BUND nannte die Suche dort inakzeptabel. Bevor die Erkundungsarbeiten nicht endgültig gestoppt worden seien, könne nicht von einem seriösen Neuanfang bei der Suche nach dem am besten geeigneten Standort gesprochen werden, sagte BUND-Atomexperte Thorben Becker in Berlin.

"Der Salzstock bei Gorleben wurde aus politischen und nicht aus fachlichen Gründen als Atommüllendlager ausgewählt. Inzwischen weiß man, dass er sich dafür nicht eignet. Bei einer seriösen Endlagersuche darf dieser Standort keine Rolle mehr spielen", sagte Becker.

Gezielter Dialog scheint jetzt möglich

Doch ein paar Dinge haben sich aller Skepsis der Umweltschützer und Atomgegner zum trotz wirklich geändert. Das gilt etwa für den Konsens, der seit Fukushima für die Atompolitik gilt. Die ideologischen Schützengraben in dem Dauerkonflikt sind weniger tief geworden, eine sachliche Auseinandersetzung scheint endlich möglich.

Hinzu kommt der Sinneswandel der Länder Baden-Württemberg und Bayern. Beide hatten in früheren Jahren blockiert, wenn die Endlagersuche sich an die Landesgrenzen annäherte. Dabei existieren dort bislang unerkundete Tonsteinformationen, die dafür durchaus in Frage kämen.

"Irgendwo muss das Zeugs ja hin"

So ist es zu einem guten Teil der grün-roten Landesregierung in Stuttgart zu verdanken, dass der Prozess nun aufs Neue aufgerollt wird. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte im April mit seiner Bereitschaft, auch im Südwesten nach einem Endlager suchen zu lassen, Bewegung in die jahrelang festgefahrene Debatte gebracht. "Irgendwo muss das Zeugs einfach hin, so einfach ist die Welt", bekräftigte er am Freitag.

Der baden-württembergische grüne Umweltminister Franz Untersteller brachte im Vorfeld bereits einen groben Plan in die Diskussion ein, der einen Weg zu einer Entscheidung in groben Zügen skizziert und dabei großen Wert auf Transparenz und glasklare Kriterien legt. Kretschmann betonte am Freitag, dass Sicherheit Priorität habe. "Am Ende dieses Prozesses muss der Atommüll an dem möglichst sichersten Standort gelagert werden. Nur das kann das Kriterium sein", sagte der Grünen-Politiker.

Sogar Bayern zeigt sich offen

Bayern, das sich bislang gegen eine Endlagersuche im Freistaat gesperrt hatte, zeigte sich offen für eine ergebnisoffene Suche: "Bayern ist stolz, zur bundesdeutschen Landkarte zu gehören", sagte der bayerische Umweltminister Marcel Huber (CSU) mit Blick auf die Bemerkung Röttgens, die Landkarte sei weiß. Ein Konsens sei nur dann möglich, wenn die Suche nach einem Endlager ergebnisoffen geführt werde. "Die Geologie ist wichtig, nicht die Geografie."

Bis zum Sommer soll nach Darstellung des niedersächsischen Ministerpräsident David McAllister Fragen geklärt werden, ob die radioaktiven Abfälle in einem Tiefenlager aufbewahrt werden sollten, welche Gesteinsformationen am geeignetsten seien und welche Institution den Prozess begleiten solle.

"Wir müssen in jedem Fall ergebnisoffen, ohne jede Vorfestlegungen in diesen Prozess hineingehen", betonte der CDU-Politiker. Alle Beteiligten müssten auf parteipolitische Auseinandersetzungen verzichten.

(pst)
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