Tat im Tiergarten Ein Mord in Berlin mit Spuren nach Russland

Berlin · Nach der Ausweisung von zwei Diplomaten wird nun auch an europäische Sanktionen in Sachen Tiergarten-Auftragsmord gedacht.

 Passanten gehen an der russischen Botschaft in Berlin vorbei.

Passanten gehen an der russischen Botschaft in Berlin vorbei.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Das Entsetzen war groß an jenem Freitag Mittag vor drei Monaten, als am 23. August mitten im Kleinen Tiergarten in Berlin-Moabit zwei Schüsse fielen und ein russisch-georgischer Bürger tödlich getroffen vor einer Parkbank lag. Nun hat die Bundesregierung zwei russische Botschaftsangehörige zu unerwünschten Personen erklärt, weil ihre Heimatbehörden bei der Aufklärung der Hintergründe des Mordes nicht kooperieren. Die wichtigsten Fragen zu einem Fall, der deutliche Züge eines Auftragsmordes angenommen hat.

Wer war das Opfer?

Tornike K. soll nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft an kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Russischen Föderation beteiligt gewesen sein. Im zweiten russisch-tschetschenischen Krieg soll er eine tschetschenische Miliz kommandiert haben. Zudem berichteten Zeugen, K. habe im Auftrag der georgischen Regierung im August 2008 eine 200 Mann starke Kampfeinheit zur Verteidigung Südossetiens aufgestellt. Die russischen Behörden stuften K. als Terrorist ein und verfolgten ihn als Mitglied der terroristischen Vereinigung „Kaukasisches Emirat“. Er soll Mitglieder der Organisation ausgebildet und geschleust haben.

Gab es zuvor Anschläge auf ihn?

Ende 2008/Anfang 2009 soll er von russischen Plänen erfahren haben, dass er getötet oder entführt werden sollte. In Tiflis gab ein bislang unbekannter Täter am 28. Mai 2015 acht Schüsse auf ihn an, von denen vier Projektile trafen. Seit 2017 soll K. als Asylbewerber in Deutschland gelebt haben.

Wer ist der mutmaßliche Täter?
Ein Mann mit dem angeblichen Namen Vadim S. konnte noch in Tatortnähe festgenommen werden. Passanten hatten sich nicht davon ablenken lassen, dass er sich von Fahrrad, Rucksack und Pistole getrennt hatte, die der Täter bei dem Mord benutzt hatte. Bei den Ermittlungen stellte die Polizei fest, dass es sich tatsächlich um Vadim K. handeln muss. Dieser war zwischenzeitlich auf Fahndungslisten aufgetaucht, nachdem ein Video eine Person zeigte, die am 19. Juni 2013 sich mit dem Fahrrad in Moskau einem Mann nähert und ihn erschoss - wie in Berlin. Die russische Polizei löschte die Fahndungsmitteilung gut zwei Jahre nach dem Mord wieder. Kurz darauf erschien ein Vadim S. auf der Bildfläche.

Welche Spuren führen nach Russland?

Zunächst das Bewegungsprofil: Vadim K. war am 20. August von Moskau nach Paris, von dort nach Warschau geflogen und tauchte wohl erst kurz vor der Tat in Berlin auf. Zudem seine Papiere: Er soll als Bauingenieur der St. Petersburger Firma „Zao Rust“ für 80.000 Rubel Monatsverdienst gearbeitet haben. Die Firma meldete indes für 2018 Jahreseinnahmen von 80.000 Rubel. Die Telefaxnummer des Unternehmens war identisch mit der von zwei anderen Firmen, die dem russischen Verteidigungsministerium gehören.

Welche politische Dimension steckt dahinter?

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, nennt es „zutiefst beunruhigend“, falls es sich herausstellt, dass es ein Mord im Auftrag russischer Regierungsstellen war. „Das würde bedeuten, dass der Kreml eine tiefe Vertrauenskrise mit Deutschland in Kauf nimmt, dass ihm also die Beziehung zu Berlin völlig gleichgültig wäre.“ Wenn andere Auftraggeber aus dem Geheimdienstmilieu dahinter stünden, wäre das „fast noch schlimmer“, weil dann der Kreml die Dinge offenbar nicht mehr unter Kontrolle hätte.

Ist nach der Ausweisung der Diplomaten mit besserer Unterstützung Moskaus zu rechnen?

Grünen-Außenexperte Jürgen Trittin rechnet nicht damit. „Von der russischen Regierung ist nichts zu erwarten, das hat ihre bisherige Verweigerungshaltung überdeutlich gemacht“. Russland werde „nur zugeben, was zweifelsfrei nachgewiesen werden kann“. Noch sei unklar, welche Stelle den Mord in Auftrag gegeben habe. „Wir wissen nicht erst seit dem Mord an Boris Nemzow unterhalb der Kremlmauer, dass in Russland sehr unterschiedliche Kräfte für solche Morde in Frage kommen“, erklärt Trittin.

Welche weiteren Möglichkeiten bleiben der Bundesregierung?

Sollte sich der Verdacht vom Auftragsmord aus Moskau bestätigen, plädiert der Chef des Parlamentarischen Geheimdienst-Kontrollgremiums, Armin Schuster, dafür, die Spionageabwehr und Auslandsaufklärung gegen Russland deutlich auszuweiten. CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter bezeichnet die bisherige Ausweisung von zwei Diplomaten als „maßvoll“. Eskalationsmöglichkeiten? Abhängig von der Kooperationsbereitschaft Moskaus und den Erkenntnissen des Generalbundesanwaltes rät Kiesewetter dazu eine „geeinte europäische Antwort“ nicht auszuschließen.

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