Köhler auf Staatsvisite in Vietnam Ein "längst überfälliger Besuch"

Hanoi (RPO). Dreimal schlug Horst Köhler auf die tonnenschwere Trommel. Nach alter vietnamesischer Tradition sollen die Schläge Weisheit bringen. Bei seinem Staatsbesuch in Hanoi tauchte der Bundespräsident im Literaturtempel in die Zeit von Konfuzius ein. Doch auch junge Menschen besuchen in Scharen die über tausend Jahre alte Tempelstätte: Sie wünschen sich gute Noten bei Diplom oder Abschlusszeugniss.

Die Südamerika-Reise von Horst Köhler
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Vietnam ist ein Land im Aufbruch. Mehr als 55 Prozent der Menschen sind jünger als 30 Jahre. Das Wirtschaftswachstum lag in den vergangenen Jahren zwischen sieben und acht Prozent. Luxusgüter aus dem Westen gibt es inzwischen an fast jeder Ecke in Hanoi. Auch wenn das Durchschnittsjahreseinkommen der Vietnamesen noch bei rund 700 Dollar liegt, wächst langsam der Wohlstand. Die neue Zeit spürte auch Köhler bei seinem Besuch an jeder Ecke. Ausdrücklich zollte er der Aufbauleistung der Vietnamesen seinen Respekt.

Es ist das erste Mal, dass ein deutscher Bundespräsident das Land bereist. Köhler spricht von einem "längst überfälligen" Besuch. 1986 leitete die sozialistische Republik Vietnam eine vorsichtige Öffnung gen Westen ein, ohne jedoch ihr Staatssystem über Bord zu werfen. Für die Zukunft wünschen sich beide Länder einen Ausbau der Beziehungen vor allem in den Bereichen Bildung und Wirtschaft. Große Potenziale für deutsche Firmen sieht Köhler im Umweltbereich. Auch in Vietnam stellt sich die Frage, wie Wachstum und Umweltschutz verbunden werden können.

Auch wenn es Köhler mit seinem Besuch vorrangig um den Ausbau der Beziehungen zwischen beiden Ländern geht, spricht er mit deutlichen Worten die überaus unbefriedigende Menschenrechtssituation an. Gerade wurden in Vietnam mehrere Menschen wegen kritischer Töne gegen das Regime zu mehrjährigen Haftstrafen und anschließendem Hausarrest verurteilt. Seine Sorge über die Entwicklung teilte Köhler Staatspräsident Nguyen Minh Triet in einem Gespräch mit, mit dem er gleich nach seiner Ankunft in Hanoi am Montag zusammenkam. Zu einer guten Partnerschaft gehöre auch, dass man sich in die Augen schauen kann und unterschiedliche Meinungen artikuliert, sagte Köhler. Kritische Bürger gehörten zu einer modernen Gesellschaft und stärkten sie, betont der Bundespräsident.

Äußerlich unbewegt reagiert Triet auf die Mahnungen. "Die Menschen haben gegen unsere Gesetze verstoßen", sagte er über die verurteilten Dissidenten auf einer Pressekonferenz. Diese Fälle hätten mit Meinungsverschiedenheiten nichts zu tun. Im staatlichen Fernsehen und in den Zeitungen, die ausführlich über den Besuch des deutschen Staatsoberhauptes berichten, findet sich zu diesem Thema allerdings nichts. Regimekritiker beklagen, dass die Ratschläge des Westens zwar gut gemeint sind, aber für die Hanoier Staatsführung ohne Konsequenzen bleiben.

"Das Leben der Anderen" ist in Vietnam Kult

Die Macht der Kommunistischen Partei ist ungebrochen. Pressefreiheit ist ein Fremdwort. Es gibt weder private Verlage, noch private Radio- oder Fernsehsender. "Vietnam ist wie die DDR plus Reisefreiheit, Coca Cola und Toyota", beschreibt der Leiter des Hanoier-Goethe-Institutes, Franz Xaver Augustin, den fragilen Frieden. Erst 1998 wurde das Kulturinstitut als eine der letzten Neugründungen eingeweiht. "Wir sind wohl der einzige Ort in Vietnam, wo Filme ohne staatliche Genehmigung gezeigt werden können", sagt Augustin. Das Institut ist nicht nur eine Oase mitten im von Mopeds beherrschten tosenden Verkehr, sondern auch ein Ort relativer Freiheit. Der preisgekrönte Film "Das Leben der Anderen" ist auch in Hanoi Kult. "Die Menschen brechen bei den Vorführungen in Tränen aus", erzählt Augustin. Die Parallelen zwischen der untergegangenen DDR und Vietnam seien für sie offensichtlich. "Der Film trifft hier genau den Nerv."

(ap)
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