Kabinett Eigenheimzulage kippt im Schnellverfahren
Berlin (rpo). Nach Jahren erbitterten Streits geht plötzlich alles ganz schnell: Schon zum 1. Januar 2006 will die schwarz-rote Regierungskoalition die Eigenheimzulage streichen. Am Dienstag beriet das Bundeskabinett über das Thema, schon am Donnerstag wird die Abschaffung der milliardenschweren Förderung in erster Lesung im Bundestag behandelt.
Für Häuslebauer und die seit Jahren darbende Bauwirtschaft brechen damit härtere Zeiten an. Umweltschützer frohlocken indes: Sie hoffen auf einen reduzierten Flächenverbrauch und weniger Neubauten im Grünen.
Die Eigenheimzulage beträgt derzeit jährlich 1.250 Euro plus 800 Euro pro Kind und wird acht Jahre lang gezahlt. Voraussetzung ist, dass die jährlichen Einkünfte die Grenze von 70.000 Euro für Ledige beziehungsweise 140.000 Euro für Ehepaare nicht überschreiten. Je Kind erhöht sich die Einkommensgrenze nochmals um 30.000 Euro. Eine Familie mit zwei Kindern kann so an 22.800 Euro Zuschuss kommen.
Wichtig: Wer jetzt bereits nach geltenden Recht Eigenheimzulage bekommt, erhält diese auch weiter bis zum Ende des Förderzeitraums. Nach dem Stichtag 1. Januar werden lediglich "Neufälle" nicht mehr berücksichtigt.
Dem Fiskus bringt die Streichung nach einer Übergangszeit von wenigen Jahren Einsparungen von rund sechs Milliarden Euro jährlich. Das Geld wird zur Sanierung der maroden Staatsfinanzen dringend gebraucht.
Doch das Baugewerbe schlägt Alarm und macht folgende Rechnung auf: Wenn von den durchschnittlich 100.000 Wohneinheiten, die jährlich mit der Eigenheimzulage gefördert werden, mittelfristig nur 20.000 pro Jahr weniger gebaut werden, bedeute dies ein Minus von jährlich knapp 2,5 Milliarden Euro bei den Wohnungsbauinvestitionen, klagt die Branche. Dahinter stünden 40.000 Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft und darüber hinaus.
Aus Sicht des Verbands Deutscher Makler ist die Eigenheimzulage ein milliardenschweres Investitionsprogramm für die Wirtschaft. Ein neu errichtetes Einfamilienhaus bringe dem Staat über Steuern und Abgaben am Ende doppelt so viel ein, wie die öffentliche Hand für die Eigenheimförderung ausgebe, heißt es dort.
Aus anderer Perspektive erscheint die staatliche Förderung des Kaufs oder Baus von Haus- und Wohnungseigentum hingegen absurd: In Ostdeutschland stehen mehr als eine Million Wohnungen leer - das sind weit mehr als zehn Prozent des gesamten Bestands. Auch in den meisten westdeutschen Städten hat sich die Wohnungsnot seit Anfang der 90er Jahre deutlich verringert. Angesichts des Geburtenrückgangs dürfte die Nachfrage weiter sinken.
Umweltschützer begrüßen die Streichung der Eigenheimzulage. Neben den Finanzhilfen im Steinkohlebergbau und den Steuervergünstigungen im Flugverkehr gehört sie aus Sicht der Umweltschutzorganisation BUND zu den "ökologisch kontraproduktivsten Subventionen" in Deutschland. "Sie fördert die Bebauung bisher ungenutzter Flächen und erhöht den Individualverkehr - mit den bekannten Nebenwirkungen wie Lärm und Abgase", heißt es. In Deutschland wird nach Berechnungen des BUND täglich eine Fläche neu bebaut, die größer ist als 170 Fußballfelder. So gingen wertvolle Flächen für Erholung, Landwirtschaft und Naturschutz verloren.
Bauherren müssen sich sputen
Wer nun noch quasi in letzter Minute in den Genuss der staatlichen Förderung kommen will, muss sich sputen. Wie das Bundesfinanzministerium erläuterte, haben Bauherren, die vor dem 1. Januar mit der "Herstellung" beginnen, und Käufer, die vor dem 1. Januar den notariellen Kaufvertrag abschließen, noch Anspruch auf die Zulage nach den alten Regelungen.
Als Beginn der "Herstellung" gilt bei Objekten, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Tag, an dem der Bauantrag gestellt wird. Sind nur die Bauunterlagen einzureichen, also etwa eine Bauanzeige, gilt dieser Zeitpunkt. Ist weder ein Bauantrag noch eine Anzeige erforderlich, ist der Tag maßgebend, an dem die Bauarbeiten beginnen.