Privatisierungserlöse sollen Schulden tilgen Eichels Etatentwurf: "Tricksen, Tarnen, Täuschen"

Berlin (rpo). Bundesfinanzminister Hans Eichel muss für seinen Haushaltsentwurf massive Kritik einstecken. Für 2005 sieht er Ausgaben in Höhe von 258,3 Milliarden Euro vor, eine Milliarde mehr als im Vorjahr. Die Opposition ist empört und hat ihr Urteil über Eichels Poltik gefällt: "Tricksen, Tarnen, Täuschen".

Kaum ist er fertig, der Haushalt für das kommende Jahr, da steht schon fest: Wieder wird es ganz schön knapp. Bereits der Etat 2003 war "auf Kante genäht", wie es Hans Eichel formulierte. Die Nähte platzten. Nur ganz knapp schrammte der Finanzminister am Schuldenrekord von 1996 vorbei. Schon dieses Jahr dürfte der Ansatz für die Neuverschuldung von 29,3 Milliarden wenigstens um zwölf Milliarden Euro übertroffen werden. Auch 2005 wird ein Kraftakt mit ungewissem Ausgang.

Eichel schaffte zwar sein Ziel, einen verfassungsmäßigen Etat vorzulegen. Doch enthält das Zahlenwerk diverse Risiken - insbesondere der Konjunkturverlauf - und Einnahmen, die vorerst nur auf dem Papier existieren. Dies gilt insbesondere für die Privatisierungserlöse, die Eichel einstellte, um die Vorgabe des Grundgesetzes zu erfüllen, wonach die Kreditaufnahme nicht höher sein darf als die Summe der Investitionen.

Die Neuverschuldung setzt Eichel mit 22 Milliarden Euro an. Die Investitionen liegen gerade einmal 800 Millionen Euro darüber. Angesichts aller Bundesausgaben im kommenden Jahr, die der Sozialdemokrat auf 258 Milliarden Euro taxiert, ist die Spanne minimal. Egal an welcher Stelle - kommt es zu Mehrausgaben oder Mindereinnahmen von einer Milliarde Euro, ist der Haushalt verfassungswidrig.

Um die Verfassungsnorm einhalten zu können, musste der Kassenwart eine Lücke von rund 20 Milliarden Euro schließen. Zum einen trotzte er einigen Ministern beachtliche Sparbeiträge ab. In erster Linie füllte Eichel das Loch aber dadurch, dass er einen üppigen Betrag aus dem Verkauf von Staatseigentum als Einnahme verbucht. Eichel hofft hier auf fast 15,5 Milliarden Euro, was Rekord wäre.

Der Betrag muss erst einmal hereinkommen. Zwar besitzt der Bund noch umfassende Anteile an Post und Telekom. Doch will Eichel nach Angaben seines Hauses nur verkaufen, wenn der Preis stimmt. In den Etats der vergangenen drei Jahre hatte er jeweils Privatisierungserlöse eingestellt, um die Verfassungsvorgabe zu erfüllen. Die angesetzten Einnahmen sind nur teilweise geflossen. "Nicht realisierte" Einkünfte, wie es im amtsdeutsch heißt, wurden jeweils ins nächste Jahr herübergerettet - zu Lasten der Neuverschuldung.

Helle Empörung herrscht bei der Opposition, die Eichel "Tricksen, Tarnen, Täuschen" vorwirft. "Das Papier offenbart die Handschrift eines Hasardeurs", sagt CDU/CSU-Haushaltssprecher Dietrich Austermann. Sein FDP-Kollege Jürgen Koppelin sekundiert: "Der Weg in den Schuldenstaat wird weiter unbeirrt fortgesetzt." Selbst die Grünen sind skeptisch. Ihre Haushaltsexpertin Antje Hermenau bekennt mit Blick auf die Privatisierungserlöse: "An diese Zahl wird man sich noch gewöhnen müssen. Sie ist sehr, sehr hoch."

Sollte Eichels Rechnung nicht aufgehen, muss die Regierung erneut die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklären, um den Verfassungsbruch zu legitimieren. In der Vergangenheit haben Regierungen jeder politischen Couleur auf dieses Mittel zurückgegriffen. Für Rot-Grün ist es beinahe zum Ritual geworden. Um zusätzliche Steuersenkungen in diesem Jahr auch mittels Krediten finanzieren zu können, war die Störung Ende 2003 erklärt worden, also quasi vorsorglich - ein bis dato einmaliger Akt in der Geschichte der Bundesrepublik.

Von seinem Ziel, Deutschland "aus der Schuldenfalle" zu führen, ist Eichel weit entfernt. Der Traum vom ausgeglichen Staatshaushalt ist ausgeträumt. Eichel geht davon aus, dass der Bund bis 2008 Jahr für Jahr etwa 20 Milliarden Euro an Krediten benötigt, um Defizite auszugleichen. Zudem dürfte es schwer werden, 2005 die Euro-Kriterien einzuhalten.

Austermann und Koppelin verweisen darauf, dass Eichel kommendes Jahr die Bundesausgaben um eine Milliarde auf 258,3 Milliarden Euro ausweitet. "Der Sparkurs ist reiner Etikettenschwindel", klagen die beiden Oppositionspolitiker. Das Finanzministerium nennt den Zuwachs angesichts der hohen Sozialausgaben - allein die Rentenkasse erhält 78 Milliarden Euro - moderat. Der Anstieg betrage 0,4 Prozent, heißt es. Der nationale Stabilitätspakt erlaubt 1,0 Prozent. Er war vergangenen Mittwoch geändert worden. Bis dahin musste der Bund seine Ausgaben jährlich um 0,5 Prozent senken.

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