Mit 94 Jahren gestorben Ehemaliger SPD-Chef Hans-Jochen Vogel ist tot

Berlin · Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel ist tot. Er starb am Sonntag im Alter von 94 Jahren in München nach langer Krankheit.

 Mit 94 Jahren gestorben: Hans-Jochen Vogel.

Mit 94 Jahren gestorben: Hans-Jochen Vogel.

Foto: dpa/Andreas Gebert

Der frühere SPD-Chef Hans-Jochen Vogel ist tot. Er starb am Sonntagmorgen im Alter von 94 Jahren in München, wie die Deutsche Presse-Agentur aus dem Umfeld der Familie erfuhr.

Mit 34 Jahren wurde der 1926 in Göttingen geborene
Professoren-Sohn Oberbürgermeister in München - und damit jüngstes Stadtoberhaupt einer deutschen Großstadt. Die 4444 Amtstage an der Isar prägten Vogel stärker als spätere Stationen. Er trug dazu bei, die Olympischen Spiele 1972 nach München zu holen. Wegen heftiger Auseinandersetzungen mit der SPD-Linken warf der damalige Vertreter der Parteirechten das Handtuch und ging in die Bundespolitik.

Die Karriere von Hans-Jochen Vogel war gezeichnet von vielen
Glanzpunkten, aber auch Niederlagen: Bundesbau- und Bundesjustizminister, für knapp vier Monate Regierender Bürgermeister in Berlin, SPD-Partei- und Fraktionschef - und Kanzlerkandidat. Doch da unterlag er Helmut Kohl.

In der SPD galt Vogel zeitlebens als gutes Gewissen mit unerschütterlichen moralischen Grundsätzen. Abgesehen vom großen Thema „soziale Gerechtigkeit“ trieb Vogel bis ins hohe Alter aber noch ein anderes Problem um: der drohende Zerfall Europas. Schon als der Austritt Großbritanniens aus der EU sich erstmals abzeichnete, sagte Vogel, dass 70 Jahre Frieden in Europa nur durch die Überwindung des Nationalismus möglich geworden seien.

"Seine Disziplin und Geradlinigkeit, sein Pflichtbewusstsein und sein christliches Menschenbild haben ihm über alle Parteigrenzen hinweg größten Respekt eingebracht", erklärte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Der SPD-Parteivorstand würdigte Vogel als "großen Sozialdemokraten". In einer Erklärung hieß es: "Hans-Jochen Vogel kämpfte sein Leben lang für sozialdemokratische Werte, eine gerechte Welt und für ein einiges Europa. Er wird fehlen."

Vogel habe "wie kaum einer für Verständnis und Fürsorge, Demokratie und Menschlichkeit gestritten", schrieb SPD-Chefin Saskia Esken im Kurzbotschaftendienst Twitter. Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte, Vogel sei ein Politiker gewesen, "der dieses Land über Jahrzehnte geprägt hat und dem wir alle viel zu verdanken haben".

Bundespräsident Steinmeier würdigte Vogel als Mann mit festen Überzeugungen: "Sein Eintreten für den Rechtsstaat, verbunden mit seinem tiefen moralischen Gefühl, was Recht und Unrecht ist, wird mir immer in Erinnerung bleiben", schrieb Steinmeier an Vogels Witwe Liselotte. Vogels politisches Vermächtnis sei: "Soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern und unser demokratisches Gemeinwesen zu stärken."

Seine Parkinson-Erkrankung hatte Vogel erst wenige Jahre vor seinem Tod öffentlich gemacht, bis zuletzt lebte er mit seiner Frau Liselotte in einer Seniorenresidenz in München. Hier ließ er sich - sofern es seine Gesundheit zuließ von Freunden - von Journalisten und auch Parteifreunden besuchen. Mit ihnen diskutierte er dann auch gerne über hochaktuelle Fragen wie die Flüchtlingskrise oder die Gefahren, die rechten Strömungen ausgehen. Wer Vogel erreichen wollte, der brauchte aus heutiger Sicht viel Geduld - bis zu seinem Tod verschmähte er Handy und Computer.

(mja/dpa)
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