Verkehrsminister Ramsauer im Winter-Interview "Droht uns jetzt ein neues Bahn-Chaos, Herr Minister?"

Berlin · Deutschland ist ein einziger Eisschrank. Noch fahren die Bahnen – doch der Verkehrsminister will im Gespräch mit unserer Redaktion die Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass es bei anhaltendem Schnee und Eis so bleibt. Es gebe einfach zu wenig Züge, und der Nachholbedarf sei immer noch groß.

Deutschland ist ein einziger Eisschrank. Noch fahren die Bahnen — doch der Verkehrsminister will im Gespräch mit unserer Redaktion die Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass es bei anhaltendem Schnee und Eis so bleibt. Es gebe einfach zu wenig Züge, und der Nachholbedarf sei immer noch groß.

Droht uns in dieser Kältewelle jetzt ein neues Bahn-Chaos?

Ramsauer Ich hoffe nicht. Bund und Bahn haben viel Geld investiert. Bessere Züge, mehr beheizte Weichen, mehr Wartungshallen, bessere Informationen für die Reisenden, bessere Bahnhöfe. Man kann Versäumnisse der Vergangenheit aber nicht über Nacht wettmachen. Ein Beispiel: Die Bahn hat einfach zu wenig rollendes Material. Nun hat sie für mehrere Milliarden Euro neue ICE und Regional-Züge bestellt. Bis die eingesetzt werden können vergehen aber noch Jahre. Die Produktion von Zügen dauert einfach länger als bei Autos.

Wie groß ist die Lücke?

Ramsauer Der Nachholbedarf ist groß. Allein 2011 hat die Deutsche Bahn rund acht Milliarden Euro in neue Fahrzeuge investiert. In der Geschichte der Deutschen Bahn ist das eine Rekordsumme. Der größte Auftrag ging an Siemens. 130 ICx Züge für den Fernverkehr, mit der Option auf mehr. Die Lücke wird also kleiner.

Wie sicher sind Sie, dass es diesen Winter gut geht?

Ramsauer Keiner kann garantieren, dass alle Züge in jeder Wetterlage pünktlich vorfahren. Deshalb kann ich dafür auch nicht die Hand ins Feuer legen. Wichtig ist: Die Bahn macht deutliche Fortschritte. Deutschland ist zurzeit ein Eisschrank, von Chaos aber bislang keine Spur. Die Schlagzeilen wären natürlich größer, wenn es umgekehrt wäre.

Reicht diesmal das Streusalz?

Ramsauer: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht — die Länder auch. Zusätzliche Salzreserven, zusätzliche Salzlager und bessere Vorsorge. Der Winter schreckt uns also nicht. Vergangenen Winter hatten wir auf Autobahnen und Bundesstraßen übrigens 1,4 Millionen Tonnen Salz gestreut. Eine rekordverdächtige Summe.

Sind die Winterdienste personell gerüstet?

Ramsauer Am Personal hatte es in der Vergangenheit nicht gelegen. Das Salz war einfach alle. Jetzt haben wir mehr Kapazität und weiterhin motiviertes Personal, das mit großem und persönlichem Einsatz rund um die Uhr an jedem Tag der Woche für freie Fahrt sorgt. Deutschland ist vorbereitet.

Gibt es mehr Geld gegen Schlaglöcher?

Ramsauer Grundsätzlich gilt: Gut erhaltene Straßen sind der beste Schutz vor Winterschäden. Deshalb stocken wir die Gelder für Erhalt und Modernisierung insgesamt weiter auf. 2012 will der Bund 2,4 Milliarden Euro investieren. Und von unserer Zusatzmilliarde kommt noch was obendrauf.

Sie stecken viel Geld in Bundeswasserstraßen. Trotzdem stecken die Schiffe nun fest. Brauchen wir mehr Eisbrecher?

Ramsauer Nein. Für die Nord- und Ostsee und die Binnengewässer haben wir rund 50 Eisbrecher. Diese Schiffe sind im Notfall den ganzen Tag im Einsatz. Bei diesem tagelangen Gefrierschrank-Wetter helfen oft keine Eisbrecher mehr. Die Fahrrinnen frieren schnell wieder zu, das Eis türmt sich immer höher. Vor allem in den Schleusen haben wir große Probleme. Denn da kann man keine Eisbrecher einsetzen. Wir behelfen uns da zum Beispiel mit Heizungen. Bei diesem Wetter helfen aber auch die nicht weiter. Da muss man einfach Demut vor der Natur haben.

Viele Autofahrer bleiben mit ihren Diesel-Fahrzeugen liegen. Was kann man tun?

Ramsauer Eis, Schnee und extreme Kälte setzen der Technik zu. In manchen Fällen hilft es, frischen Winterdiesel zu tanken. Die Gelben Engel vom ADAC sind in ganz Deutschland unterwegs, um Autofahrern zu helfen.

Gregor Mayntz führte das Interview

(RP/felt/csr)
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