Drogenbeauftragter Burkhard Blienert „Wir werden die regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene umsetzen“

Interview | Berlin · Der neue  Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, hat kurz nach seinem Amtsantritt mit dem Vorstoß, das Erwerbsalter für Alkohol heraufsetzen, von sich reden gemacht. Was der SPD-Politiker noch für seine Amtszeit plant.

 Die Freigabe von Cannabis soll kommen.

Die Freigabe von Cannabis soll kommen.

Foto: picture alliance/dpa/Fabian Sommer

 Herr Blienert, Sie haben einen Vorstoß zur stärkeren Reglementierung von Alkohol unternommen. Sind Sie zufrieden mit dem Rücklauf aus der Politik?

Blienert Mir liegt am Herzen, dass wir wieder eine Debatte darüber führen, wie groß der Schaden ist, den Alkohol auslöst. Das ist lange Jahre nicht mehr geschehen. Alle Fachgesellschaften machen deutlich: Alkohol ist ein starkes Zellgift mit langjährigen Auswirkungen. Doch kaum einer hört den Fachleuten zu. Darauf wollte ich zu Beginn meiner Amtsperiode aufmerksam machen. Die Rückmeldungen waren unterschiedlich. Ich habe viel Zustimmung von Menschen bekommen, die sich sonst nicht öffentlich melden. Und wir werden handeln: Der Koalitionsvertrag sieht ja ganz explizit neue Maßnahmen zur Alkoholprävention vor, zum Beispiel beim Thema Werbung und Sponsoring.

Dry January, Fastenzeit. Sind das richtige Debatten zum Alkoholverzicht, oder verschleiern sie das Problem?

Blienert Diese Aktionen sind keine Alibi-Aktionen. Doch wichtiger als Appelle sind strukturelle Veränderungen - etwa beim begleiteten Trinken von Jugendlichen, was im Allgemeinen gar nicht so präsent ist.  Es ist nicht sinnvoll, dass Jugendliche schon mit 14 Alkohol trinken dürfen, nur, weil die Eltern das okay finden. Oder beim Alkohol-Sponsoring von Veranstaltungen, das immer noch großen Raum einnimmt. 

Haben Sie da eher Kinder und Jugendliche im Blick oder die Debatte über den Alkohol an sich?

Blienert Mir geht es um die allgemeine Verfügbarkeit, die unreflektiert hingenommen wird. Hier möchte ich sensibilisieren. Es gibt Missbrauch, welcher einen hohen wirtschaftlichen Schaden verursacht, der von der Allgemeinheit und den Sozialkassen ausgeglichen werden muss. Ganz abgesehen von schweren medizinischen und sozialen Folgen für den Einzelnen. Bei den Jugendlichen geht es darum, diese stark zu machen. Das bezieht sich nicht nur auf Alkohol und Tabak, sondern auch auf Games und soziale Medien. Hier braucht es einen ganzheitlichen Ansatz, der mit konkreten Hilfsangeboten in den Kommunen einhergehen muss.

Das gleiche gilt auch für Tabak. Muss diese Debatte auch geführt werden?

Blienert Stimmt, die Verfügbarkeit hierbei ist allerdings schon etwas eingeschränkter. Auch das Tabakwerbeverbot wirkt. Doch es gibt es immer noch Schlupflöcher, etwa beim Sponsoring. Da müssen wir ran. Denn grob gesagt raucht immer noch jeder vierte in Deutschland. Das ist sein oder ihr gutes Recht, aber wir sollten weiter in aller Klarheit auf die Gefährlichkeit hinweisen. Erhebungen in anderen Ländern, die damit restriktiver umgehen, zeigen deutliche Erfolge.

Das große Thema dieser Legislatur ist Cannabis, die regulierte Abgabe an Erwachsene steht im Koalitionsvertrag. Sind sie der Mann, der die Legalisierung exekutiert?

Blienert Wir sind da mitten im Gespräch, auch wenn nach wie vor die Pandemiebekämpfung im Gesundheitsministerium Vorrang hat. Es ist ein wichtiger Teil des Koalitionsvertrags, auch in der öffentlichen Debatte. Ich halte es für dringend notwendig, dass wir einen regulierten Zugang zu Cannabis in Fachgeschäften für Erwachsene ermöglichen. Eines der Hauptziele der regulierten Cannabis-Abgabe ist zu kontrollieren, was den Erwachsenen verkauft wird. Stichwort gestreckte Drogen. Der Staat muss die Kontrolle über den Markt bekommen.

Die Niederlande sind ein Beispiel dafür, dass die Legalisierung nicht gut geklappt hat. Man hat etwa die Kriminalität nicht in den Griff bekommen, die Droge ist in die Gesellschaft eigesickert. Schreckt Sie das nicht ab?

Blienert Das war ja auch keine kontrollierte Abgabe. Die Niederlande haben sich im Wesentlichen darauf beschränkt, den persönlichen Gebrauch nicht strafrechtlich zu verfolgen. Anbau, Weiterverarbeitung, Handel, Vertrieb und Verkauf wurden nicht regulatorisch in den Blick genommen. Das System der Niederlande hat tatsächlich gezeigt, was passiert, wenn es ein unausgegorenes Modell ist. Das hat die organisierte Kriminalität begünstigt, statt sie zu unterbinden.

Wann wird es erste Entwürfe geben?

Blienert: Wir stehen am Anfang eines wirklichen Paradigmenwechsels. Dass das dauert und gründlich vorbereitet werden muss, sollte klar sein. Was ich sagen kann ist: Wir sind auf dem Weg, erste Vorbereitungen laufen, und wir werden die regulierte Abgabe an Erwachsene – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – in dieser Legislatur umsetzen.

Sie haben die Unterstützung aller Regierungsmitglieder?

Blienert Die Koalition hat es vereinbart, im Koalitionsvertrag steht das alles sehr konkret drin.

(mün)
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