Vorstandsmitglieder treten zurück "Pegida" geht das Personal aus

Berlin · Sprecherin Kathrin Oertel und vier weitere Vorstandsmitglieder der Islamkritiker sind zurückgetreten. Die Gründe sind bisher nicht eindeutig. Die für kommenden Montag angekündigte Demonstration in Dresden wurde abgesagt.

Fragen und Antworten zu "Pegida"
Infos

Fragen und Antworten zu "Pegida"

Infos
Foto: dpa, abu tmk

Die "Pegida"-Führung zerlegt sich selbst; die Zukunft der Bewegung scheint ungewiss. Gestern wurde bekannt, dass Kathrin Oertel als Sprecherin zurückgetreten ist. Auch vier weitere Mitglieder des Organisationsteams hätten sich zurückgezogen, teilte der Verein mit.

Erst vergangene Woche war "Pegida"-Gründer Lutz Bachmann sein Spitzenamt in der Organisation aufgegeben. Er war mit einem Foto, das ihn als Adolf Hitler zeigt, und menschenverachtenden Äußerungen gegen Ausländer aufgefallen. Jetzt wird wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen ihn ermittelt. Zuletzt zählten zwölf Personen zum Vorstand von "Pegida", der nun um fast die Hälfte dezimiert ist.

Seit Oktober gehen "Pegida"-Anhänger meist montags in Dresden auf die Straße. Zuletzt nahmen nach Polizeiangaben am Sonntag mehr als 17 000 Menschen an einer Kundgebung teil. Die für kommenden Montag angekündigte Demonstration wurde nun abgesagt.

Für die neuesten Rücktritte gab es verschiedene Erklärungen. "Pegida" teilte im Internet mit: "Fakt ist, Kathrin hat vorerst ihr Amt als Pressesprecherin niedergelegt. Dies ist massiven Anfeindungen, Drohungen und beruflichen Nachteilen geschuldet." Zum Ausscheiden des Vorstandsmitglieds und Ex-CDU-Stadtrats von Meißen, Thomas Tallacker, hieß es: "Thomas Tallacker hat mit seiner Firma durch den Verlust etlicher öffentlicher Aufträge ebenfalls massive Probleme und zieht sich auch zurück."

Doch nach Berichten mehrerer Medien ging den Rücktritten ein Streit im "Pegida"-Vorstand über die künftige Rolle von Lutz Bachmann voraus, der sich entgegen seinen Ankündigungen offenbar doch nicht ganz aus der Bewegung zurückziehen will. Ein weiterer Grund sei die mangelnde Abgrenzung zum Leipziger Ableger "Legida", der nach Einschätzung des sächsischen Verfassungsschutzes gewalttätiger und rechtsextremer ist als das Dresdner Vorbild. "Pegida" kündigte an, in den nächsten Tagen einen neuen Vorstand zu wählen. Oertel, Bachmann und dessen Vize René Jahn stünden für Ämter nicht mehr zur Verfügung, hieß es.

Wie es mit "Pegida" weitergeht, ist nach Ansicht von Experten offen. Der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke sieht angesichts der schweren Krise keine Zukunft für das Bündnis. "Das ist der Anfang vom Ende", sagte er. Derart viel Chaos könne "Pegida" nicht ertragen. Funke betonte: "Es spricht viel dafür, dass die Bewegung in dieser Form bald zerfallen wird." Die "Feindbildmache", die das Bündnis bislang betreibe, halte es offenbar nicht zusammen.

Anders sieht das der Extremismus-Experte Timo Reinfrank. "Ich glaube noch nicht, dass dies das Aus ist", sagte der Koordinator der Amadeu-Antonio-Stiftung, die Initiativen gegen Rechtsextremismus unterstützt. Die Bewegung hänge nicht an einzelnen Personen. Reinfrank prognostizierte, vermutlich werde "Pegida" nicht weiter wachsen und jenseits von Dresden eher kleiner werden. In der sächsischen Hauptstadt werde das Bündnis aber wohl eine längerfristige Erscheinung sein. Wie dünn die Personaldecke schon ist, zeigt eine Nachricht aus Köln: Die Organisatoren des dortigen Ablegers "Kögida" sagten ihre für gestern Abend geplante Demonstration wegen mehrerer Erkältungen ab. Im Vorstand seien zu viele erkrankt, als dass ein reibungsloser Ablauf gewährleistet sei, hieß es. Trotzdem kamen rund 400 Menschen zu einer Gegendemonstration. Zu der Kundgebung hatte das Aktionsbündnis "Köln gegen Rechts" aufgerufen.

Unterdessen verteidigte sich SPD-Chef Sigmar Gabriel gegen Kritik aus der eigenen Partei: 80 Prozent der Zuschriften, die er von Bürgern bekommen habe, befürworteten seinen Besuch bei "Pegida"-Anhängern am vergangenen Freitag in Dresden. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi hatte Gespräche mit "Pegida" anders als Gabriel kategorisch abgelehnt. Sie wollte sich gestern nicht mehr zu den Rücktritten in der "Pegida"-Führung äußern. SPD-Präsidiumsmitglied Ralf Stegner sagte dagegen unserer Zeitung: "Jeder Rückzug solcher Leute, die gegen Flüchtlinge und Vielfalt hetzen, ist gut. Wir brauchen ,Pegida', ,Legida', AfD und Co. so nötig wie einen Kropf."

Gabriel nannte die Führungskrise eine "Erlösung für Dresden". "Ich glaube, dass wahrscheinlich der öffentliche Zenit dieser Demonstrationen überschritten ist", sagte der Bundeswirtschaftsminister im ZDF.

(jd / mar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort