Wahl ohne Ergebnis Dresden kann Kanzlermacher werden

Berlin (rpo). Auch wenn sich die Dresdner nach eigenem Bekunden nicht darum reißen, ihre Chancen auf eine Rolle als "Kanzlermacher" stehen gar nicht schlecht. Weil CDU/CSU nach der Bundestagswahl am Sonntag derzeit mit nur drei Sitzen Vorsprung die stärkste Fraktion im Bundestag bilden, kommt nun den Stimmen aus dem Wahlkreis 160 womöglich besonderes Gewicht zu.

Denn in Dresden I wird wegen des Todesfalls einer NPD-Direktkandidatin erst am 2. Oktober abgestimmt. Je nachdem, wie die Wähler sich dort verhalten, könnten sich die Mehrheitsverhältnisse im Bund um bis zu drei Sitze verschieben. Dies entspricht genau dem Vorsprung, den die Union derzeit vor der SPD hat. Rein theoretisch könnte es je nach Ausgang der Wahl in Dresden also ein Patt im Bundestag geben, voraussichtlich wird sich aber - wenn überhaupt - nur der Vorsprung der Union verkleinern.

In Dresden I sind rund 219.000 Bürger zur Bundestagswahl aufgerufen, das sind 6,1 Prozent der sächsischen Wahlberechtigten. Der Wahlkreis umfasst die Ortsteile Altstadt, Blasewitz, Leuben, Prohlis und Plauen; ein erheblicher Teil davon gilt als gutbürgerliche Wohngegend. Bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst landete die SPD in diesen Stadtteilen nur im einstelligen Bereich, während die CDU in Blasewitz sogar die 44 Prozent überschritt. Die PDS wurde zweitstärkste Kraft.

Trotz des knappen Vorsprungs für die CDU/CSU machte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Sonntagabend der Unionskandidatin Angela Merkel (CDU) den Anspruch auf die Kanzlerschaft streitig. Eine große Koalition mit der SPD unter einer Kanzlerin Merkel schloss Schröder aus.

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis, das Bundeswahlleiter Johann Hahlen in der Nacht zum Montag in Berlin mitteilte, erhalten CDU und CSU zusammen 225 Sitze im Parlament, die SPD kommt auf 222. Die FDP liegt bei 61 Sitzen. Drittstärkste Kraft ist die Linkspartei mit 54 Sitzen. Die Grünen kommen auf 51 Sitze. Angesichts des knappen Ergebnisses könnte die wegen des Todes einer NPD-Direktkandidatin nötige Nachwahl in Dresden am 2. Oktober rein theoretisch zu einer entscheidenden Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse im Bund um bis zu drei Sitze führen. De facto wird aber damit gerechnet, dass dies nicht zu einem Patt führen wird, da das Direktmandat eher an die Union gehen wird und auch ein eventuell entstehendes Überhangmandat nur für die Union in Frage kommt.

Insgesamt gab es bei der vorgezogenen Bundestagswahl vom Sonntag nach dem vorläufigen Ergebnis 15 Überhangmandate; dem nächsten Bundestag werden somit 613 Abgeordnete angehören. CDU/CSU erhielten 35,2 Prozent der Stimmen, das waren 3,3 Prozentpunkte weniger als 2002. Die SPD kam auf 34,3 Prozent (minus 4,3). Die Grünen verschlechterten sich um 0,4 Prozentpunkte auf 8,1 Prozent. Die FDP legte 2,4 Prozentpunkte auf 9,8 Prozent zu. Die durch Kandidaten der WASG verstärkte PDS zieht als Linkspartei mit 8,7 Prozent in den Bundestag ein, nachdem sie 2002 mit 4,7 Prozent nicht in Fraktionsstärke in den Bundestag eingezogen war. Die Wahlbeteiligung lag mit 77,7 Prozent um 1,4 Prozentpunkte unter der Marke von 2002.

Rechnerisch würde eine große Koalition über 447 Sitze verfügen, eine Ampelkoalition käme auf 334 Sitze. Eine schwarz-gelb-grüne "Jamaika"-Koalition hätte 337, ein rot-rot-grünes Bündnis 327 Sitze.

Merkel reklamierte den Regierungsauftrag für die CDU/CSU als stärkste Kraft. Aber auch Schröder meldete trotz des Scheiterns von Rot-Grün seinen Führungsanspruch an. Schröder sagte in der Berliner Runde, Merkel werde keine Koalition mit der SPD hinbekommen, wenn sie Kanzlerin werden wolle. Niemand außer ihm sei "in der Lage, eine stabile Regierung zu bilden", betonte der Amtsinhaber. Merkel sagte dazu, sie werde einen Weg finden, mit den Sozialdemokraten zu reden. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber schloss trotz des schlechten Abschneidens der Union nicht aus, ein Amt in Berlin zu übernehmen.

SPD-Chef Franz Müntefering brachte eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP ins Spiel. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte dazu jedoch: "Für eine Ampel und andere Hampeleien stehen wir nicht zur Verfügung". Die Spitzenkandidaten der Linkspartei, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine, werteten ihr Abschneiden als großen Erfolg. Die Linkspartei holte vor allem in Ostdeutschland viele Stimmen.

(afp)
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