Digitale Revolution Bewährungsprobe für die Demokratie

Meinung | Düsseldorf · Das Internet ist genauso wenig Teufelszeug wie seinerzeit Gutenbergs Druckerpresse. Doch neue Medien verändern die Kommunikation. Das hat Folgen – unter anderem für die Demokratie.

 Die Facebook-App auf einem Smartphone (Symbolfoto).

Die Facebook-App auf einem Smartphone (Symbolfoto).

Foto: dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Revolutionen kommen selten mit Ansage. Oft geschehen sie still, fast unscheinbar und sind kaum als solche zu erkennen. Das Internet. Die E-Mail. Das Handy. Der Alltag übertüncht die Wucht, die jede dieser Erfindungen mit sich brachte und verdeckt den Blick auf ihre langfristigen wirtschaftlichen und vor allem gesellschaftlichen Folgen.

Wenn Historiker in 200 Jahren zurückblicken auf unsere Epoche, werden sie die Bedeutung des Internets vermutlich gleichsetzen mit der des Buchdrucks. Kein Mensch käme heute auf die Idee, Gutenbergs Druckerpresse als Teufelszeug zu bezeichnen. Doch wir wissen auch, dass mit der Verbreitung von Büchern und Flugschriften zunächst auch jede Menge Unruhe entstand. Konflikte, Aufstände, Bürgerkriege.

Ähnliche Entwicklungen lassen sich heute in Bezug auf die Digitalisierung beobachten. Menschen, die einst ihren Frust einsam im Bierglas ertränkt haben, schließen sich im Netz zusammen und erreichen mit ihren Wut-Tiraden und Verschwörungsfantasien ein Millionenpublikum. Facebook und YouTube haben mit der Spaltung der Gesellschaft Milliarden verdient, haben Hass und Hetze salonfähig gemacht.

Die Querdenker-Bewegung ist ein Symptom für einen gesellschaftlichen Häutungs-Prozess: Menschen, die über das Internet plötzlich Macht erlangt haben und die nicht begreifen, dass mit großer Macht auch große Verantwortung einhergeht. Gefühlte Wahrheiten als Ablassventil für die eigene Ohnmacht gegenüber übermächtigen Bedrohungen, wie Globalisierung, Klimakrise oder Pandemie.

Kaum ein Querdenker hat jemals einen Krieg erlebt. Grundrechte, Wahlen, eine unabhängige Justiz nehmen wir wie selbstverständlich hin, als sei das alles vom Himmel gefallen. Wie fragil, wie verletzlich unsere Demokratie ist, erleben wir mit dem aufkeimenden Nationalismus in Europa. Bei der Erstürmung des US-Parlaments vor knapp einem Jahr wäre beinahe eine Supermacht gestürzt worden.

Dabei hat die digitale Revolution gerade erst begonnen. Wenn das Wort mächtiger als das Schwert ist, dann ist ein Smartphone zerstörerischer als 1000 Schwerter. Eines Tages, dessen bin ich mir sicher, werden wir gelernt haben, mit diesen mächtigen Waffen umzugehen. Bis dahin steht die Demokratie vor ihrer größten Bewährungsprobe.

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