Genossen nominieren Kanzlerkandidaten Bartsch offen für Koalition mit SPD unter Führung von Scholz

Exklusiv | Berlin · Nach der Nominierung von Olaf Scholz als SPD-Kanzlerkandidat hat sich Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch offen für eine Koalition im Bund unter dessen Führung gezeigt. Friedrich Merz kritisiert, der Kanzlerkandidat passe nicht zur Partei.

 Olaf Scholz bei einem Termin im Juli in Berlin (Archivbild).

Olaf Scholz bei einem Termin im Juli in Berlin (Archivbild).

Foto: dpa/Markus Schreiber

"Mehrheiten jenseits der Union sind Ziel der Linken", sagte Bartsch unserer Redaktion. "Große Steuerreform, nachhaltige Rentenreform, entschlossener Kampf gegen Kinderarmut wird nur mit einer starken Linken, gern auch mit Olaf Scholz funktionieren", sagte Bartsch weiter. Damit reagierte er auf die Nominierung von Scholz als Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagswahl 2021.

Am Wochenende hatten die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an den Parteitagsbeschluss der SPD von 2013 erinnert, wonach ein solches Bündnis nicht kategorisch ausgeschlossen werde. Nach der Nominierung von Scholz an diesem Montag hielt sich das Lob aus anderen Parteien aber in Grenzen. Linke-Chef Bernd Riexinger schrieb beim Kurznachrichtendienst Twitter auch schon zurückhaltender als Bartsch: „Hartz 4 überwinden, 13 Euro Mindestlohn, Reiche stärker besteuern - wir sind sehr gespannt, ob Olaf Scholz als Kanzlerkandidat eine solche Politik mitträgt.“

Aus den eigenen Reihen erntete Scholz überwiegend Lob und Unterstützung. „Mit Olaf Scholz setzen wir auf einen Sozialdemokraten mit viel Regierungserfahrung und Visionen für ein wirtschaftlich starkes, sozial gerechtes und ökologisch verantwortungsvolles Land“, schrieb etwa Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bei Twitter. Vom linken Flügel aber kam Kritik. „Das Rezept der vergangenen Jahre, im Milieu der konservativen und liberalen Wähler zu fischen, wird auch dieses Mal nicht aufgehen“, sagte etwa die SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis der „Augsburger Allgemeinen“.

Die Union warnte die SPD vor verfrühtem Wahlkampf. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak schrieb dem Vernehmen nach an Funktionsträger seiner Partei, dass die CDU sich mehr als ein Jahr vor der Bundestagswahl auf die Regierungsarbeit konzentrieren solle, vor allem auf die Bewältigung der Corona-Krise. Dabei sei eine „vernünftige Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner wichtig. Für Wahlkampf ist jetzt nicht die Zeit“, hieß es. Der Bewerber um den CDU-Vorsitz und frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz sagte Scholz unterdessen bereits ein Scheitern voraus: „Olaf Scholz wird es so ergehen wie Peer Steinbrück 2013: Der Kandidat passt nicht zur Partei“, sagte Merz unserer Redaktion.

Auch von den Grünen kam Kritik. „Es ist viel zu früh für Wahlkampf“, schrieb Parteichef Robert Habeck bei Twitter. Und FDP-Chef Christian Lindner spottete über die Abfolge der jüngsten Äußerungen der SPD-Spitze. „Gestern Koalitionsangebot an die Linke und grünes Licht für Kanzler Habeck - heute wird mit Olaf Scholz ein Kanzlerkandidat aus dem eher rechten Spektrum der Partei benannt. Respektabel ist er, aber die Strategie erscheint noch rätselhaft“, schrieb Lindner ebenfalls bei Twitter.

FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg warf Scholz Inkonsequenz vor. Das seit Jahren bekannte Modell der SPD – mit einem in der Bevölkerung angesehenen, aber in der Partei nicht unterstützten Minister als Kanzlerkandidat anzutreten und spätestens im Wahlkampf wird der Widerspruch zwischen pragmatischem Kandidaten und linkem Programm klar – werde jetzt nach gescheiterter Kandidatur für den Vorsitz und mit Linksbündnis-Ansage neu aufgelegt. „Das ist keine raffinierte Dialektik, sondern Inkonsequenz mit Wumms, die die Sozialdemokraten unglaubwürdig macht“, sagte Teuteberg unserer Redaktion. Die arbeitende Mitte in Deutschland brauche steuerliche Entlastung und Vorfahrt für Arbeitsplätze, einen handlungsfähigen Rechtsstaat und außenpolitische Zuverlässigkeit. „Jede Kombination von Rot, Grün und Dunkelrot steht für das Gegenteil: mehr Steuern und Bürokratie, rechtsfreie Räume und außenpolitische Irrwege. Progressiv geht anders“, so die FDP-Generalsekretärin. „Wir Freie Demokraten freuen uns auf einen fairen Wettbewerb und machen den leistungsbereiten Arbeitnehmern, die in der SPD keine politische Heimat mehr finden, ein Angebot“, sagte Teuteberg.

(jd/qua/dpa/rtr)
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