Fragen und Antworten zum Diesel-Gipfel Deutschlands Autobauer kommen billig davon

Berlin · Die Autohersteller sagen beim Diesel-Gipfel in Berlin ein Software-Update von über fünf Millionen Diesel-PKWs auf eigene Kosten zu. Eine Hardware-Nachrüstung lehnen sie aus Kostengründen ab. Wie geht es nun für die Betroffenen weiter? Fragen und Antworten.

 Audi-Chef Rupert Stadler, Volkswagen-Markenvorstand Herbert Diess, Volkswagen-Chef Matthias Müller, BMW-Chef Harald Krüger und Matthias Wissmann, Präsident des Automobilverbandes.

Audi-Chef Rupert Stadler, Volkswagen-Markenvorstand Herbert Diess, Volkswagen-Chef Matthias Müller, BMW-Chef Harald Krüger und Matthias Wissmann, Präsident des Automobilverbandes.

Foto: dpa, soe

"Willkommen in Fort NOx" — Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace entrollten am Mittwoch ein großes Transparent mit dieser Aufschrift vom Dach des Bundesverkehrsministeriums — in Anspielung auf den zu hohen Stickoxid (NOx)-Ausstoß vieler Dieselfahrzeuge. In diesem Ministerium fand der Diesel-Gipfel mit Spitzenvertretern von Bund, Ländern, Kommunen und Autoherstellern dann aber gar nicht statt. Er wurde kurzfristig verlegt ins Bundesinnenministerium — wohl aus Angst, Demonstranten könnten die Sicherheit der Teilnehmer gefährden. Tatsächlich fand sich vor den Ministerien aber nur ein kleines Häuflein von Umweltaktivisten ein. Der Gipfel endete am späteren Nachmittag mit der Präsentation eines Maßnahmenpakets, mit dem ein Ausweg aus der Diesel-Krise gefunden werden soll.

Wie soll der Diesel sauberer werden? Die Autohersteller BMW, Daimler, Opel und VW sagten zu, "über fünf Millionen" zugelassene Dieselfahrzeuge der Abgasnormen Euro 5 und 6 per Software-Update nachzurüsten. Darin enthalten sind 2,5 Millionen VW-Fahrzeuge, für die Nachrüstungen bereits angeordnet worden waren. Insgesamt fahren rund 8,6 Millionen Diesel-Pkw der Klassen 5 und 6 auf den Straßen. Software-Updates kosten die Hersteller zwischen 50 und 100 Euro. Dadurch sollen die Stickoxid-Emissionen der nachgerüsteten Fahrzeuge im Schnitt im 25 bis 30 Prozent sinken. Eine Software wird seit etwa 20 Jahren in allen Autos integriert. Der Computer an Bord, das Motorsteuergerät, steckt in einer Metallbox. Er verarbeitet alle Informationen von den Sensoren, etwa Geschwindigkeit und Temperatur, und regelt verschiedene Funktionen und Bauteile — darunter auch die Abgasreinigung. Die Software regelt, wie intensiv die Abgase wann gereinigt werden. Im Zuge der Abgasaffäre wurde bekannt, dass bei hohen oder niedrigen Temperaturen durch eine Abschalteinrichtung ("Thermofenster") nicht gereinigt wird. Die Autobauer erklärten das mit dem Schutz des Motors. Die Software-Updates sollen das Thermofenster verkleinern. Damit die Updates greifen, müssen Dieselfahrer dazu aber auch bereit sein. Gipfelteilnehmer sahen hier ein Problem: Viele betroffene Autofahrer dürften ohne Zwang oder zusätzlichen Anreiz nicht in die Werkstätten fahren, um das Update durchführen zu lassen.

Warum gibt es keine Hardware-Nachrüstung der Motoren? Die Hersteller lehnten das aus technischen und finanziellen Gründen ab. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die Umweltministerin und Verbraucherschützer halten aber Software-Updates nicht für ausreichend und forderten eine echte Nachrüstung der Diesel-Motoren mit besseren Abgasreinigungen oder Katalysatoren. Die Hardware-Nachrüstung würde die Hersteller pro Auto 1500 Euro kosten, insgesamt einen zweistelligen Milliardenbetrag.

Wie können Verbraucher mitreden? Beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg soll ein Verbraucherbeirat eingerichtet werden. Hier sollen sich Verbraucher beschweren oder Fragen stellen können, die mit den Updates zusammenhängen. Die Hersteller sollen garantieren, dass die Motoren durch die Updates nicht beschädigt werden oder mehr Kraftstoff verbrauchen.

Wie soll der Umstieg von alten auf neue Diesel beschleunigt werden? Der US-Autobauer Ford war am Vortag als erster mit einer eigenen Abwrackprämie für ältere Diesel vorgeprescht. Halter älterer Dieselautos — egal welcher Marke — erhalten von Ford einen "Umweltbonus" zwischen 2000 und 8000 Euro, wenn sie einen Neuwagen von Ford kaufen. Voraussetzung ist, dass die Wagen nur eine ältere Abgasnorm nach Euro 1, 2 oder 3 erfüllen und bis 2006 zugelassen worden waren. Die Politik forderte von den deutschen Herstellern ähnliche "Umstiegsprämien". Diese wollten das am Mittwoch nicht konkret zusagen.

Wie soll die Luft in den 28 am meisten betroffenen Städten reiner werden? Bund und Autoindustrie legen einen gemeinsamen Fonds in dreistelliger Millionenhöhe auf. Daraus sollen Maßnahmen zur Luftverbesserung in den 28 am meisten mit Stockoxiden belasteten Städten finanziert werden. Sie sollen individuelle "Masterpläne" unter anderem für intelligentere Verkehrssysteme entwickeln. Besonders viele Städte in NRW sollen profitieren.

Was ist im ÖPNV geplant? Kommunen sollen mit insgesamt 100 Millionen Euro gefördert werden, um im öffentlichen Personennahverkehr verstärkt von Diesel- auf Elektrobusse umzurüsten. Auch die Förderung der Investitionsmehrkosten für Taxen und Fahrzeuge des kommunalen Fuhrparks wird erhöht.

Drohen Fahrverbote in den Städten? Sie sind weiterhin nicht vom Tisch. Denn die Umwelthilfe hat viele Klagen wie in Stuttgart auf Luftreinhaltung eingereicht. Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hatte am Freitag einer DUH-Klage stattgegeben: Der Luftreinhalteplan Baden-Württembergs für Stuttgart reiche nicht aus. Das Land könne nicht nur auf Diesel-Software-Updates setzen, so der Richter. Fahrverbote seien das wirksamste Mittel gegen zu hohe Stickoxid-Werte. Baden-Württemberg und die Grünen im Bund drängen auf Einführung der "Blauen Plakette". Sie würde bundesweit einheitliche Regeln dafür schaffen, welche Autos in Innenstädten nicht mehr einfahren dürfen. Zudem würde das begrenzte Fahrverbot kontrollierbarer. Die "Blaue Plakette" wird bisher aber vom Bundesverkehrsministerium blockiert — und hat in dieser Legislaturperiode keine Chance mehr.

Wie wirkt der Dieselskandal auf die Nachfrage? Der Anteil neu zugelassener Dieselfahrzeuge ist weiter deutlich rückläufig. Im Juli sank der Marktanteil auf 40,5 Prozent, das war im Vergleich zum Vorjahresmonat ein Rückgang bei den Neuzulassungen um 12,7 Prozent, teilte das Kraftfahrbundesamt am Mittwoch mit. Vor einem Jahr lag der Marktanteil neu zugelassener Diesel bei 47,1 Prozent.

(mar)
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