Berliner Zirkel Die wichtigsten Macht-Achsen im Kabinett

Berlin · Wer mit wem gut kann, und wer auch thematisch gemeinsame Linien findet, wird nun bedeutender als der ganze Koalitionsvertrag.

Berliner Zirkel: Die wichtigsten Macht-Achsen im Kabinett
Foto: Grafik RP

Obwohl die künftigen Koalitionäre wochenlang um jeden Buchstaben und jedes Komma ihres Regierungsvertrages gerungen haben, hängt der Erfolg der neuen Regierung allein von den handelnden Personen ab: Politische Inhalte können bei der Kompromisssuche passend gemacht werden. Entscheidend ist, ob die Protagonisten durchsetzungsfähig sind und der praktischen Regierungspolitik eine Richtung geben. Wer mit wem gut kann, ist daher von großer Bedeutung auch für das Vorankommen des Landes in den nächsten vier Jahren.

Nicht nur der Fisch stinkt vom Kopfe her. Auch die Koalition steht und fällt damit, dass die Spitzen einander vertrauen. Bei ihren ersten Stunden nebeneinander auf der Regierungsbank vermittelten Kanzlerin und Vizekanzler im Bundestag ein Bild bemerkenswerter Harmonie. Die Wochen der Verhandlungen haben Angela Merkel und Sigmar Gabriel genutzt, die Belastbarkeit ihrer inneren Macht-Achse auszutesten. Ihr erstes Meisterstück: Die Geheimhaltung der Ressortzuschnitte. Selbst Medien mit Enthüllungsanspruch und vorgeblichen 1a-Informationen stocherten im Nebel. Gabriel hat Merkel versprochen, dass er die vollen vier Jahre zu dieser Koalition steht. Gleichzeitig ist sie Machtpolitikerin genug, um zu wissen, dass er in dieser Zeit die SPD mit so viel Abgrenzung zur Union aufstellen und mit so viel Kompetenz ausstatten wird, dass er die Chancen zu einer Ablösung der "Geschichtsabschnittsgefährtin" Merkel 2017 optimiert.

Interessant an dieser Achse ist, dass sie über das eigentliche Kabinett hinausreicht: Immer ist CSU-Chef Horst Seehofer dabei. Er verfügt über genügend Störpotenzial, um die Regierungspolitik von München aus vor die Wand fahren zu lassen. Obendrein hat er mit der Installation seines engsten Vertrauten Alexander Dobrindt, dem Rauswurf von Peter Ramsauer, der Beförderung von Gerd Müller zum Entwicklungsminister und der Verschiebung von Hans-Peter Friedrich vom Innen- ins Agrarressort vor allem eines erreicht: Wenn es wirklich um belastbare Achsen mit CSU-Beteiligung in der Koalition geht, dann ist er der einzig satisfaktionsfähige Spieler.

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Die Union hat zwar nahezu alle klassischen Kernressorts in Händen — von Finanzen über Innen und Verteidigung bis hin zu Verkehr, Gesundheit und Bildung — und tatsächlich lässt sich auf diesen Feldern durch falsches Agieren eine Wahl leicht verlieren. Doch ob man damit auch gewinnen kann, steht auf einem anderen Blatt. Strategisch ist daher die Themen-Achse der SPD für 2017 möglicherweise noch bedeutender: Mit einer überzeugenden Wirtschaftskompetenz und einer gelingenden Energiewende (Gabriels eigenes Ministerium), ergänzt um die soziale Handschrift der SPD (im Arbeits- und Sozialministerium von Andrea Nahles) und abgerundet mit einer klaren Dominanz beim gesellschaftlichen Zukunftsthema Nummer eins (mit Familienministerin Manuela Schwesig) könnte sich die SPD einen famosen Startplatz für den nächsten Bundestagswahlkampf sichern.

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Für das operative Tagesgeschäft sind daneben weitere Verständigungen wichtig: Welche Gesetze wann und wie schnell vorankommen, wird einerseits im Kanzleramt koordiniert, andererseits im Justizministerium begleitet. Die beiden Saarländer Peter Altmaier (als Kanzleramtschef) und Heiko Maas (als Bundesjustizminister) sind nicht nur durch Herkunft einander zugeneigt, sondern auch durch die Vorarbeiten an der großen Koalition an der Saar. Beide verfügen zudem über beste Kontakte zu den Grünen, die bei der Kompromissfindung mit dem Bundesrat wichtig werden.

Möglichkeiten für vielfältige Konflikte stellen die berührenden Zuständigkeiten von Außen- und Verteidigungsministerium dar. Doch Frank-Walter Steinmeier im Außenamt und Ursula von der Leyen als Inhaberin der Befehlsgewalt kommen nicht erst seit der Vereidigung gut klar und graben sich gegenseitig nicht das Wasser ab.

Eine weitere Verständigungs-Achse ergibt sich aus den Parallelkarrieren von Andrea Nahles und Hermann Gröhe. Beide haben sich als Generalsekretäre von SPD und CDU aneinander abgearbeitet, in den Koalitionsverhandlungen aber schneller zu gemeinsamen Positionen gefunden als CDU und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Mit dem Arbeits- und Sozialressort einerseits und mit dem Gesundheitsministerium andererseits haben Nahles und Gröhe zudem als Kabinettsneulinge Großbaustellen übernommen. Das erleichtert ebenfalls die Konsenssuche über Parteigrenzen hinweg.

(RP)
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