Krise der Grünen Baerbock, Habeck und die Machtfrage

Meinung · Die Grünen stecken nach 18 Monaten in der Ampel-Regierung in einer tiefen Krise – der Ärger über selbst gemachte Fehler ist groß. In der K-Frage ist dennoch nichts entschieden.

 Früher gemeinsam Parteichefs, heute auch Konkurrenten bei den Grünen: Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Früher gemeinsam Parteichefs, heute auch Konkurrenten bei den Grünen: Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Jetzt haben sie den Salat. Und wenn er noch so nachhaltig-bio angebaut wäre, er hätte eine leicht bittere Note: Ampel-Salat. Die Grünen stecken aktuell in der tiefsten Krise seit ihrem Eintritt in diese Koalition mit SPD und FDP im Bund, gemeinhin „die Ampel“ genannt. Die Umfragen sind zwar noch nicht ganz in den Keller gerauscht, aber doch bedenklich nach unten gegangen. Weit weg vom Anspruch einer Partei, die 2021 mit ihrer Spitzenkandidatin Annalena Baerbock die Bundeskanzlerin stellen wollte. Und auch entfernt von der Vorstellung, 2025 bei der Entscheidung um die Macht ernsthaft ein Wort mitreden zu können – mit einer eigenen Kanzlerkandidatin oder einem Kanzlerkandidaten. Zurzeit stehen die Zeichen bei den Grünen eher auf Abwehrkampf denn auf Meistertitel. Dabei sind Umfragen so wechselhaft wie der Wind. Sie drehen sich. Heute oben, morgen unten. Das gehört zum politischen Geschäft. Kein Grund zur Aufregung also, könnte man meinen.

Doch die Grünen bekommen den Unmut der Wählerinnen und Wähler gerade besonders dicke zu spüren. Keine Partei im Bundestag und in dieser Bundesregierung fühlt sich wegen ihrer politischen DNA derart dem Klimaschutz verpflichtet wie die Grünen. Diesem Selbstverständnis entsprechend waren und sind sie Treiber in der Koalition bei allen Maßnahmen, die helfen sollen, die nationalen Klimaziele zu erreichen und die Republik klimaneutral wirtschaften zu lassen. Wenn sie nicht aufpassen, wird im Wahljahr ein großer Teil des Frusts über die Teuerung, auch ausgelöst durch den Ukraine-Krieg, bei ihnen abgeladen.

In Partei und Fraktion ist der Ärger über selbst gemachte Fehler groß, weil sie unnötig die eigenen Chancen beschneiden. Die Grünen waren in der Koalition ganz vorn, als es darum ging, die Ukraine auch mit schweren Waffen zu unterstützen. Die politische Konkurrenz staunte – waren das nicht einmal Pazifisten? Nun sind sie selbst Getriebene von Ideen, die gut gemeint, aber schlecht gemacht sind. Wieder müssen die Grünen mit einem Etikett leben: Bevormundung und Verbote kommen nicht gut an. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat mit seinem zumindest in der ersten Fassung angreifbaren Heizungsgesetz viele Menschen im Land verprellt oder verschreckt. Habeck als Bürgerschreck, das war bestimmt nicht der Plan. Aber dass ausgerechnet ein Grünen-Minister eine (vermeidbare) Trauzeugen-Affäre in seiner Behörde eingestehen musste, passt zur gegenwärtigen Krise der Partei. Die Ökopartei trifft es härter, weil sie dem eigenen hohen moralischen Anspruch an Integrität in der Politik nicht gerecht werden. In der grünen K-Frage ist dennoch nichts entschieden. Aktuell hält Außenministerin Annalena Baerbock noch still. Kein Wort von ihr zu Habeck, einst ihr Mitstreiter an der Parteispitze, heute Konkurrent. Seine Fehler sind ihr Vorteil. Aber das kann sich auch schnell drehen.

Die Grünen waren schon immer eine Partei, die von Bewegungen geprägt war. Zurzeit müssen sie damit leben, dass Klimaaktivisten sich nicht mehr ausreichend von ihnen vertreten fühlen. Hier der junge Widerstand, dort das grüne Establishment, das eben nicht mehr auf Bäume klettert – auch das gehört zur Entwicklung. Die Partei bekommt Druck von allen Seiten. Das ist der Preis des Regierens. Sie werden es aushalten müssen, wenn sie 2025 weiterkommen wollen.

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